Der nächste Kraftakt
Zwei kräftige Gärtner, zwei Stunden beherztes Anpacken und die Feuerdorne waren Geschichte. Ich staunte, ich hätte Tage und Wochen gebraucht, um die stacheligen Ungetüme zu entfernen. Freilich wusste ich, dass damit die Sache nicht vorbei war. Jahrelang hatte der Efeu Zeit gehabt, sich unter den Sträuchern auszubreiten, seine endlos langen Triebe im Boden zu verwurzeln und alles zu umschlingen, was ihm in die Quere kam. Mir war es ganz recht gewesen, denn die Alternative, unter die dornigen Gesellen zu kriechen und Unkraut zu jäten, wäre alles andere als angenehm gewesen. Wie schwierig es allerdings ist, den einst willkommenen Bodendecker wieder loszuwerden, daran erinnerte ich mich vom Kampf im Gemüsebeet noch genau.
Es stellte sich bald heraus, dass die Efeuwurzeln diesmal mein geringstes Problem waren. Ich begann beim Zaun zu meinem hinteren Nachbarn (dem Techniker, siehe „Wo man hinschaut„), wo sich eine zweite Mahonie ungebeten breitgemacht hatte. Eigentlich hatte ich auch die erste nicht eingeladen, aber wenn sie sich schon einmal selbst etabliert hatte – ich mag ihre gelben Blüten und ihre blauschwarzen Beeren, ihre stacheligen Blätter mag ich nicht. Also ein Exemplar genügt völlig, die zweite muss weichen. Das tat sie nach gehörigem Widerstand auch und ich stürzte mich auf den meterlangen Efeu, der teils beim Nachbarn, teils in meinem Garten wurzelt. Zunächst kämpfte ich mich am Zaun entlang, grub, zerrte, riss an meinen Trieben und schnitt die vom Nachbarn zurück. Der uralte hässliche Maschendrahtzaun ist großteils überwuchert, was ja kein Schaden ist. Durch den Rückschnitt ist eine hübsche schmale grüne Wand entstanden, nur aufpassen muss ich in Zukunft, dass es auch so bleibt.
Ich arbeitete mich bis in die Ecke vor und begann, einen Streifen systematisch umzugraben. Ich dachte immer noch, dass es nur um den Efeu ginge, aber es wurde mit jedem Stich mit der Grabegabel schlimmer. Die Gärtner hatten zwar brav die Wurzelstöcke aus der Erde gehackt, nicht jedoch die weitverzweigten Wurzeln der beiden Feuerdorne. Bei jedem zweiten Stich blieb ich in einer dieser Wurzeln hängen. Die dünneren konnte ich aus dem Boden zerren, doch es gab jede Menge dicke Wurzeln, die ich nur so weit wie möglich ausgraben und abschneiden konnte. Den Gedanken, an einem Tag mit dem Beet fertig zu werden, konnte ich ad acta legen. Nach vier Stunden intensiver Schufterei fiel mir die Grabegabel aus der Hand und ich verschob weitere Anstrengungen auf den nächsten Arbeitsbesuch. Ich sah mich um: Selbst bei wohlwollender Schätzung hatte ich nicht mehr als zwei Quadratmeter freigelegt. Bei dem Tempo prognostizierte ich frustriert weitere fünf Tage für das Projekt „Beet säubern“.
An den ersten beiden Tagen hatte ich noch den Ehrgeiz, die langen Efeuranken und die Wurzeln zu trennen. Die Ranken schnitt ich klein und warf sie auf den Kompost, die Wurzeln sammelte ich in einem Extrakübel und schleppte sie zur Biotonne. Ab dem dritten Tag wanderte alles auf den Mistplatz. Zuerst traf ich auf die Wurzeln des zierlicheren roten Feuerdorns. Sie waren schon schlimm genug, doch dann, nach vier Tagen, kam ich zum ehemaligen Standort des wuchtigen gelben Feuerdorns. Die armdicken Stangen waren mit der Astschere nicht mehr zu bewältigen, die Baumsäge musste her. Wie gut, dass ich kein altes Werkzeug wegwerfen kann, meine teure Qualitätsklappsäge wäre mir zu schade gewesen, um damit in der Erde zu hantieren. Ihre Vorgängerin hat zwar bei weitem nicht deren Biss, für das Gemetzel im Feuerdornbeet war sie aber grade gut genug.
Bei alldem musste ich auch noch SEHR vorsichtig werken, denn in der Erde lauerten unzählige abgebrochene Aststückchen des Feuerdorns darauf, sich für die Rodung zu rächen. Die Dornen sind spitz wie Stecknadeln und brechen ab, sobald sie sich in meine Finger gebohrt haben. Das verursacht ziemlich schmerzhafte Wunden und es dauert Tage, bis die kleinen Spitzen endlich herausgeeitert sind. Das einzig Erfreuliche an der Buddelei waren die zahlreichen Regenwürmer, die ich bei der Aktion aufgeschreckt habe. Die Erde scheint an dieser Stelle nicht so schlecht zu sein, wie ich befürchtet habe.
Nach fünf vollen Arbeitstagen habe ich es gestern geschafft. Nicht, dass ich sämtliche Wurzeln hätte entfernen können. Jedes Mal, wenn ich „ein letztes Mal“ auf einem Fleck in die Erde stach, verhedderten sich die Zinken wieder in einem neuen Monstrum. Irgendwann muss es gut sein, der Rest soll im Boden verrotten. Die überalteten Fingersträucher, die die Konkurrenz von Feuerdorn und Efeu fast erwürgt hat, habe ich befreit, so gut es ging ausgegraben, in einer Gruppe zusammengesetzt und stark zurückgeschnitten. Hoffentlich wachsen sie an und treiben neu aus, sie sind eine liebe Erinnerung für mich (siehe „Es war einmal… Fortsetzung„).
Viel Kopfzerbrechen bereitete mir die gewaltige Lücke zur seitlichen Nachbarin. Meinen ersten Plan, als Sichtschutz in der Ecke einen Säulenzierapfel zu setzen, verwarf ich wegen meines Technikernachbarn wieder. 4 m Höhe hätten einen gewaltigen Schattenwurf auf sein Pool bedeutet, mit Sonne kann er es hingegen bis in den Herbst hinein nutzen. Ich entschied mich für eine Gelbblättrige Blasenspiere „Dart’s Gold“ (2 bis 3 m Endhöhe) und investierte gleich in ein 1 m großes Exemplar. Trotzdem, bis das Eck zugewachsen ist, wird es noch dauern. Also beschloss ich, von meinem Liegeplatz bis ins Eck eine Sichtschutzwand aufzuziehen, diesmal der Einfachheit halber mit Bodenhülsen (siehe „Der große Pfusch„). Ich holte den Maßstab und erschrak. 3,50 m! Zusammen mit der bereits stehenden Wand neben meinem Liegeplatz wird das ja eine riesige Fläche! Nach einer schlaflosen Nacht, in der ich das Internet, meine Gartenbücher und alte Gartenzeitschriften vergeblich nach einer besseren Idee durchforstet hatte, kam mir plötzlich ein rettender Einfall. Im Anschluss an die bereits bestehende Wand stelle ich als optischen Unterbrecher zwei hohe Obelisken auf und bepflanze sie mit schattenverträglicher Clematis. Dann sind nur noch ca. 2 m offen, die die Blasenspiere hoffentlich eines Tages zuwächst. Einstweilen reichen ein paar Steher, an die ich Weiden- oder Rindenmatten hänge. Für das restliche Beet suche ich schon fleißig nach robusten Stauden, die mit dem Extremstandort (vormittags Hausschatten, pralle Mittagssonne, nachmittags Hausschatten von der anderen Seite) zurechtkommen könnten. Sarastro, ich komme!
Eure Flora