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Gedanken zum Advent

Ich vermisse sie, die Sorglosigkeit der früheren Jahre, mit der ich verschwenderisch die Wohnung mit Tannenreisig geschmückt, Kerzen und Lichterketten verteilt und den Christbaum mit Lametta behängt habe. Haben wir den Schwiegervater im Weinviertel besucht, haben wir auf dem abendlichen Heimweg im Auto die beleuchteten Christbäume in den Vorgärten gezählt und spannende Duelle ausgefochten, wer mehr entdeckt. Wie ein Schneehase habe ich mich Jahr für Jahr auf das große Silvesterfeuerwerk gefreut und ein paar Mal haben wir mit den Kindern selber Raketen in die Luft geschossen. Diese fröhliche Unschuld ist für immer verloren gegangen und gerade zur Weihnachtszeit hasse ich Begriffe wie „nachhaltig“, „umweltschonend“ und „ressourcensparend“.

Meine Eltern haben immer schon Päckchen nur sehr sorgsam aufgemacht, um das Papier nicht zu zerstören. Sie haben Geschenkpapier und Bänder mehrfach verwendet, sie notfalls sogar aufgebügelt. Allerdings geschah das aus eiserner Sparsamkeit, nicht aus Nachhaltigkeit, dieses Wort gab es damals noch gar nicht. Auch das Lametta klaubte meine Mutter penibel aus dem Baum, um es im nächsten Jahr wieder aufzuhängen, nachgekauft wurde nur der unvermeidliche Schwund. Weihnachsschmuck wurde vererbt, die Christbäume in meiner familiären Umgebung waren allesamt bunte Sammelsurien mit einer eigenen Geschichte jedes einzelnen Stückes. Bis heute finde ich einfärbig gestylte Bäume seelenlos. Neue Kugeln wurden auf dem EINEN Christkindlmarkt bestaunt und nur selten ergänzte meine Mutter unser Sortiment. Verschwenderisch war sie nur mit den Nüssen für die Weihnachtsbäckerei, Haselnüsse hatten wir ja körbeweise im Garten und Walnüsse sammelten wir rucksackweise auf unseren Herbstwanderungen.

Wenn ich schon bei den Kindheitserinnerungen bin: Jeden Samstag fuhren wir in den Garten „nachschauen“ (siehe „Einbrecher„) und meine Mutter fütterte die Vögel. In einer alten verbeulten Alu-Pfanne röstete sie Bröseln (selbstverständlich selber aus altem Brot und Semmeln gerieben) in dem Kochöl, das von der Woche übrig geblieben war. Es durfte ja nichts verkommen und die Spatzen stürzten sich begeistert auf das Gemisch. Ich habe immer noch den Geruch nach altem Fett im eiskalten Garten in der Nase und so sehr ich diese Gartenbesuche damals gehasst habe, heute werde ich ganz nostalgisch bei der Erinnerung.

Mit steigendem Wohlstand hat sich die Einstellung der Menschen verändert. Die meiner Eltern nicht, dafür waren sie zu sehr von den Kriegs- und Nachkriegsjahren geprägt. Doch rundherum hörte ich immer öfter stolze Bemerkungen wie „das schmeiß ich weg, ich kann es mir leisten, etwas Neues zu kaufen“. Bedingt durch meine Erziehung stand und stehe ich dieser Wegwerfmentalität fassungslos gegenüber. Ich trage seit sechzehn Jahren, wie ich heuer entsetzt nachgerechnet habe, dieselbe türkise Daunenwinterjacke. Ich kann sie schon nicht mehr sehen, aber das Ding tut mir nicht den Gefallen, kaputt oder unmodern zu werden. Sie sieht genauso schick aus wie alle anderen Daunenjacken, die mir auf der Straße entgegenkommen, und sie hat nicht das geringste Löchlein, nicht einmal im Futter. Also ziehe ich sie auch diesen Winter an. Nicht weil ich mir keine neue Jacke kaufen könnte, sondern weil die alte ja noch tadellos ist.

Seit einiger Zeit lösen neue Ideen das Konsumdenken ab. Zuerst hießen sie alternativ und wurden belächelt und bespöttelt, mittlerweile entkommt man dem Phrasengetrommel rund um Umwelt, Klimaschutz und Tierwohl (die neueste Wortschöpfung der Werbung) nicht mehr. Produkte werden mit bio und öko angepriesen, Recycling ist in und wurde zu Upcycling geadelt, Retro und Vintage sind längst gesellschaftsfähig. Grundsätzlich begrüße ich das neue Bewusstsein, aber die Durchdringung aller Lebensbereiche geht mir auf die Nerven und schlägt sich aufs Gemüt (siehe „Das schlechte Gewissen„). In der letzten Ausgabe meiner Gartenzeitschrift fand ich einen Beitrag über Alternativen zu Christbäumen. Holzprügel in aufsteigenden Längen an die Wand nageln oder auf eine Eisenstange auffädeln und dann mit Schmuck behängen, echt jetzt? Habe ich mit so einem Ritter von der traurigen Gestalt dann das befriedigende Gefühl am Heiligen Abend, etwas für die Umwelt getan zu haben? Rette ich den Planeten, wenn ich meine Weihnachtsgeschenke in alte Zeitungen einwickle? Muss ich, wenn ich den Tannenduft im Zimmer, durchweht vom Geruch des gebackenen Kabeljaus mit Kartoffelsalat genieße, wirklich daran denken, dass ein Baum gestorben ist, dass die Weltmeere leergefischt werden und sind die Erdäpfeln eh bio und aus heimischem Anbau? Habt’s mich gern.

Wie immer rettet mich mein Garten aus den trüben Gedanken. Auch wenn die meisten Pflanzen momentan Pause machen, die Natur ist allgegenwärtig. Als ich zur Sicherheit vor einem Durchfrieren den Topf mit der Zuckerhutfichte in das Laub im Komposthaufen hineinwühle, stelle ich überrascht fest, dass sich die Temperatur im Inneren nach wenigen Tagen bereits erhöht hat. Die Traubenhyazinthen können den Frühling nicht erwarten und strecken schon Spitzen aus dem Boden. Der Duftschneeball hat erste Blüten und meine Storchschnäbel die letzten. Da ich im Herbst alles stehen lasse, kündigt der ganze Garten von vergangener Sommerpracht und sieht nicht kahl und tot aus. Am liebsten würde ich Lichterketten in die Blutpflaume und in die Eberesche hängen. Pfeif aufs Energie sparen, freue dich, Christkind kommt bald.

Eure Flora

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