KI
Diese Woche habe ich einen beunruhigenden Beitrag im Fernsehen gesehen. Es ging um KI, ihren permanenten Fortschritt und ihre wachsenden Einsatzmöglichkeiten. Fotos, gemalte Bilder, Musik, Texte, Stimmen – alles täuschend echt, so täuschend, dass nicht einmal die Künstler sie von „richtigen“, also menschengemachten Werken unterscheiden konnten. Das meiste kann man schon mit einem einfachen Smartphone erschaffen. Von Realitätsverlust war die Rede, dass wir nie mehr sicher sein können, ob das, was wir sehen, hören, riechen können, wahrhaftig ist oder ein gut gemachtes Fake. Und die KI wird mit jeder gestellten Aufgabe besser, weil sie dazulernt. Science-fiction-Filme wie Terminator, Surrogates oder Oblivion kommen der Wirklichkeit beängstigend näher. Auch ich könnte meine Beiträge mittels KI schreiben, wie mir von meiner Website-Software laufend vorgeschlagen wird. Thema, ungefährer Inhalt, Wortanzahl – schon wäre ich fertig. Aber keine Angst, ich schreibe viel zu gerne selber, da lasse ich niemanden mitreden.
Das Tun im Garten ist zu der ganzen Elektronik- und virtual reality-Welt ein echtes Kontrastprogramm. Man nimmt ein Werkzeug in die Hand, greift Erde und Pflanzen an, beobachtet das Wachstum, schnuppert den Duft der Rosen, hört das Gesumme der Bienen – für KI ist da wenig Raum. Automatische Bewässerungssysteme und Rasenroboter werden zwar immer perfekter und mögen für größere Grundstücke oder im Urlaub ganz praktisch sein, aber für mich wäre das nichts. Auch wenn ich die Gießkannenschlepperei manchmal verfluche, ist es doch befriedigend, sich einmal am Tag mit seinen Schätzchen auseinanderzusetzen, zu sehen und zu fühlen, was sie brauchen. Wenn jemand im Garten dazulernt, dann bin ich das.
Fehler gehören zum Gärtnern einfach dazu, das habe ich jedenfalls schon gelernt und nehme ein Scheitern mittlerweile gelassener hin als noch vor zehn Jahren. Mein schlapper Gemüseertrag ist schon ein regelrechter running gag zwischen Christian und mir, aber ich probiere es jedes Jahr aufs Neue. Heuer habe ich, wie es die No-dig-Methode vorsieht, Gemüse- und Beerenbeet mit meinem gesamten Kompost überschüttet. In diese Schicht, die ich nicht eingearbeitet habe, werde ich nächstes Jahr wieder Gemüsepflänzchen aus der Gärtnerei einsetzen und auf den englischen Autor vertrauen. Er versichert nämlich in seinem Buch, dass so alles fröhlich wuchert, kaum Schnecken kommen und nur wenig gegossen werden muss. Schauen wir einmal, ob das nur in England so funktioniert. Schlimmstenfalls haben wir wieder etwas zum Lachen.
Ich habe auch gelernt, dass ich erst dann Entscheidungen treffe, wenn ich voll und ganz davon überzeugt bin. Dass die Berberitze oder der Feuerdorn weichen mussten, ist über Jahre gereift, bis es für mich endgültig wurde. Vom Geistesblitz bis zum (ohnehin nie) fertigen Beet dauert es oft sehr lange. Viele Ideen (z.B. ein Hügel als „Landschaftselement“) schlummern in einer Gehirnlade vor sich hin, werden hin und wieder hervorgeholt und abgestaubt und doch wieder als undurchführbar, zu schwierig, zu unausgegoren verstaut. Oder plötzlich taucht DIE Lösung auf, wie für meinen Apfelbaum, den ich mir schon ewig wünschte. Die Eingebung für den perfekten Platz hatte ich eines Nachts, als ich aus dem viel zu heißen Haus auf die Terrasse flüchtete und feststellte, dass der Beton auch um drei Uhr morgens noch warm war. Und das, obwohl der Schatten des Marillenbaums ab Mittag über die Terrasse kriecht, aber dann ist die Platte halt schon aufgeheizt. Dann überschlugen sich die Gedanken: Schatten – Baum – Spiere überaltet – Apfelbaum! Trotzdem habe ich auch diesen Einfall monatelang ruhen lassen, bin die Vorstellung im Geiste immer wieder durchgegangen, bis ich endlich den Gärtner angerufen habe.
Noch eine Erkenntnis hat sich bei mir durchgesetzt: Pflanzen machen, was sie wollen. Manches darbt am idealen Standort vor sich hin und anderes fühlt sich in der falschen Umgebung pudelwohl. Das alte „probieren geht über studieren“ hat auch im Garten Gültigkeit. Wenn’s nicht klappt, kann man immer noch umsetzen, aber manchmal kann man Kopf stehen und es wird nichts. So ist es eben.
Ihr seht, ich bin mindestens so lernfähig wie die KI. NI halt. Natürliche Intelligenz.
Eure Flora