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Nur schauen

Was muss ich auch über die Ankündigung für das Saatgutfestival der Arche Noah stolpern! Zuerst habe ich es überblättert, mit Samen habe ich eh kein Glück (siehe „Ich und 1000 Samen„). Dann dachte ich mir „klingt schon interessant“. Schließlich habe ich mir den Termin im Kalender eingetragen, ich muss ja nicht hingehen, aber zur Sicherheit… Je näher der 22. Februar rückte, desto entschlossener wurde ich, es mir einmal anzuschauen. Oder doch nicht? Ich brauch doch gar nichts, schade um das Geld für den Eintritt. Plötzlich fiel mir der perfekte Grund ein, das Saatgutfestival zu besuchen: Ich will doch heuer das Gemüsebeet mit Kartoffeln füllen, da braucht es Saaterdäpfel. Und beim Saatgutfestival finde ich bestimmt mehr Sorten zur Auswahl als im Gartencenter. Sonst muss ich ja nix kaufen, das wird eh nix bei mir. Und Christian lachte.

Schon vor der Tür zum großen Saal blieb ich hängen. Ein überaus sympathischer junger Mann stand vor einer riesigen Wand mit Gemüsesamen, überwiegend Tomaten. Was gibt es da nicht für Farben und Formen, fantasievolle Sortennamen, verlockende Beschreibungen, unwiderstehliche Ernteversprechen. Eine „Gräfin aus Ungarn“ oder so ähnlich hatte ich schon in der Hand, während ich mit dem netten Verkäufer über Schnecken und Wanzen plauderte, bis ich mich an meine guten Vorsätze erinnerte und mit einem energischen Ruck das Sackerl zurückhängte. Ich kann doch nicht beim ersten Stand schon schwach werden!

Im Saal suchte ich als erstes die Erdäpfel. Und da waren sie: Eine Tischzeile über die gesamte Saalbreite voll mit Kisten und unzähligen Sorten, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Ich war richtig dankbar, als ich feststellte, dass sich die Schilder ab der Hälfte wiederholten. Was soll ich nur nehmen? Blaue, rote, gelbe, frühe, späte, längliche, runde? Da sah ich sie: Sieglinde, die Erdäpfel meiner Kindheit! Nur der Erdäpfelsalat wurde aus den (teureren) Kipfler gemacht, ansonsten wurde die Sieglinde verkocht. Die Kiste war zu meinem Schrecken fast leer, aber eine Portion à 12 Stück ging sich grad noch aus. Die Verkäuferin erklärte mir, warum diese Sorte trotz ihrer Vielseitigkeit und Beliebtheit vom Markt verschwunden ist. Im Gegensatz zu anderen Sorten ist sie weniger ertragreich und das ist in der heutigen Zeit in der Landwirtschaft wichtiger als guter Geschmack, seufzte sie. Ich freute mich wie ein Schneekönig über meine Beute und erstand noch eine zweite Portion mit dem klingenden Namen Simonetta.

Sie keimen schon am Fensterbrett vor!

So, Plansoll erfüllt, jetzt kann ich in Ruhe schauen. Schauen! Das Gemüsebeet ist mit 24 Kartoffeln voll. Aber vielleicht dazwischen ein hübscher Mangold? Ich hab noch Samen zu Haus, Finger weg. Neuseeländer Spinat, klingt spannend. Ich kam mit der Verkäuferin ins Gespräch und am Ende nahm ich ihn mit. Sie gab mir noch den Tipp, ihn nicht vorzuziehen, sondern ab Mitte April gleich ins Freie auszusäen. Ein bisschen Freiraum braucht er halt, denn die langen Triebe legen sich bald um. Na gut, dann kommt die Hälfte der Erdäpfeln halt ins Beerenbeet, dann ist Platz für alle da. Ich muss ja keine Erdbeeren haben.

Einen Stand weiter leuchtete mir ein graublauer Klatschmohn verführerisch entgegen. „Schade“, sagte ich zu der Standlerin, „den hätte ich im Herbst aussäen müssen, jetzt wird das nichts mehr.“ „Doch, doch“, widersprach sie, „Sie müssen ihn nur SOFORT aussäen, solange es noch kalt ist.“ Also morgen. Habe ich was vor? Nein, das geht. Und schon wanderte wieder ein Säckchen in meine Tasche. Ein paar Schritte weiter lief ich einem Amaranth in die Hände, dem Fuchsschwanz, den ich als Kind so liebte. Hin und wieder durfte ich mir einen abschneiden, steckte mir die lange Rispe in die Hose und spielte Mickey Mouse. Wollte ich nicht immer schon Zinnien im Garten? Eine Packung versprach mir eine leuchtend bunte Mischung aus kleinwüchsigen Zinnien, nur vorziehen muss ich die kleinen Prinzessinnen. Hab ich nicht noch Anzuchterde im Keller? Ja, die wird auch nicht besser, also her mit den Zinnien.

Jetzt ist aber Schluss! Ich schaffte es, ohne weitere Einkäufe noch eine Runde durch den ganzen Saal zu machen und war sehr stolz auf mich. Vor der Tür stieß ich wieder auf den überaus sympathischen jungen Mann und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm trotz der netten Unterhaltung nichts abgekauft hatte. Aber was? Ich erinnerte mich an den wanzenübersäten Tomatenstrauch vom letzten Sommer, den ich letztendlich mit allen Früchten entsorgt hatte, weil sie alle angesaugt und teilweise mit Wanzensekret verseucht waren, und war von Paradeisern geheilt. Traurig klagte ich dem jungen Mann mein Leid, dass bei mir aus den Radieschen nie was wird und er empfahl mir eine besonders robuste Sorte. Ein Versuch kann nicht schaden, sagte ich mir und zückte ein letztes Mal die Geldbörse. Dann flüchtete ich aus dem Gebäude.

Am nächsten Tag fuhr ich bei Nieselregen in den Garten und streute den Mohnsamen aus. Solange es noch kalt ist, hat sie gesagt. Also mir war kalt genug.

Eure Flora

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