• Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Platz!

Vor zwei Jahren (siehe „352 m²„) habe ich angekündigt, dass ich einmal Platz für einen Apfelbaum finden werde und ich habe ihn gefunden. Seit Mittwoch residiert James II. in meinem Garten, diesmal vom Gärtner gesetzt und fachmännisch mit zwei Stangen gegen Wind und Sturm gewappnet. Wie sein Vorgänger, der unglückliche kleine Jamie, ist er ein James Grieve, eine alte Apfelsorte (rund 1890), die bereits im August reift und kurze Zeit nach der Ernte gegessen werden kann. Ich hatte einen Hochstamm bestellt, denn sein Platz ist bei der Weggabelung vor der Terrasse und wir müssen unter der Krone durchgehen können. Ein bisschen erschrocken bin ich schon, als der Gärtner den Baum anschleppte, mir kam er im Topf viel zu groß vor. Aber es passt genau, die Äste setzen wie bei meinem alten Herrn auf einer Höhe von 1,80 m an. In ein paar Jahren wird er die Terrasse über Mittag kühlen und damit die Aufgabe des alten Herrn ergänzen, der am Nachmittag übernimmt, dessen Schatten aber durch die Schnittmaßnahmen der letzten Jahre immer lückenhafter geworden ist. Da die Befürchtung besteht, dass seine morschen Äste den nächsten Sturm nicht überleben werden, war es höchste Zeit, für den Fall der Fälle Ersatz parat zu haben.

Für den neuen Baum musste die Brautspierenkugel weichen. Sie war in den letzten Jahren arg vergreist und sah nach der Blüte nicht einmal mehr richtig grün aus. Es erstaunte mich nur, wie mühsam es war, den alten Stock aus der Erde zu bekommen. Trotz tiefem Abgraben und der Kraft von zwei Männern war es nicht möglich, ihn auszuhebeln, sie mussten ihn letztendlich in Stücke hacken und die Teile ausbrechen. Fast schien es mir der größere Aufwand zu sein als anschließend die viel mächtigeren Feuerdorne zu entfernen. Doch ich glaube, die zwei Gärtner hätten liebend gerne noch ein paar Spieren ausgegraben als sich mit dem Dornengestrüpp herumzuschlagen.

Wie ich es befürchtet hatte, saß die Spatzenbande auf den umliegenden Bäumen und schimpfte gewaltig, als ihr Schlafplatz zerstört wurde. Ast für Ast schrumpfte ihr Zuhause auf ein paar Stummeln zusammen, die die Gärtner dann mitsamt dem Wurzelstock umwarfen, nachdem sie die Hauptwurzeln gekappt hatten. Ich habe ihnen vom Kompostplatz aus zugesehen (und dabei beide Komposthaufen ausgesiebt!) und sie bewundert, wie furchtlos sie trotz der langen Dornen zupackten. Danach haben sie noch die Haselnüsse zurückgeschnitten und die Felsenbirne im Staudenbeet, die die Stürme im September schiefgedrückt haben, wieder gerade gerichtet.

Während die Gärtner das Schnittgut wegtrugen und ihr Werkzeug zusammenpackten, stellte ich mich auf den Platz, den die Feuerdorne viele Jahre lang beherrscht hatten. Die gähnende Leere bedrückte mich, doch es war die richtige Entscheidung gewesen. Die stacheligen Monster hatten zuletzt nicht mehr attraktiv ausgesehen, die wenigen Beeren waren vom Schorf verschrumpelt, kein Vergleich mit ihrer einstigen Pracht, nur mehr mühselige Plage mit dem Schnitt der Gehölze. Erschreckend war die freie Sicht in die Nachbargärten (graue Bodenplatten, grauer Zaun auf der einen Seite, verwahrloste Reste eines Gartens nach dem Hausbau auf der anderen) und ich beschloss, sofort im Frühjahr rundherum einen bepflanzten Sichtschutz anzulegen. Eine Clematiswand vielleicht? Eine Obsthecke? Aber was mache ich mit dem Rest des Fußballfeldes?

Gestern fuhr ich wieder in den Garten und betrachtete das brachliegende Garteneck. Auf den zweiten Blick kommt es mir gar nicht mehr so riesig vor. Auch die wirren Ideen, stante pede Wände hochzuziehen, verblassen bei näherem Hinsehen. Erst einmal im Frühjahr den Efeu roden, der den Boden komplett bedeckt, die Mahonie, die sich versteckt hinter den Riesen ausgebreitet hat, auf ein erträgliches Maß zurückschneiden, die Liguster-, Weißdorn-, Ahorn- und Heckenrosensämlinge entfernen, die sich im Gestrüpp eingeschlichen haben, und dann in aller Ruhe planen.

Vielleicht gelingt es mir, die rechteckige Form des Beets etwas zu kaschieren, indem ich in die Ecke einen Strauch pflanze und davor bunte Stauden. Es gibt ja ein paar Kandidaten auf meiner Wunschliste, für die mir bisher der Platz gefehlt hat. Pimpernuss, Pfarrerkapperl oder ein Zierapfel in Strauchform zum Beispiel. Dann brauche ich mir aber sonst nichts überlegen, wenn ich die Wuchshöhe und -breite der meisten Sorten bedenke. Obwohl – ha! vom Zierapfel gibt es mehrere Säulenformen, die dann nur 1,5 m breit werden. Oder wenn schon Säule, warum nicht ein Säulenholunder? Eine Säuleneberesche gibt’s auch. Und schon komme ich ins Schwärmen und Studieren, blättere mich durch Baumschulkataloge und google drauflos. Schräg versetzt dazu ein Blasenstrauch? Waldgeißbart müsste sich im Hintergrund gut machen. Irgendwo muss ein Buschen Japanwaldgras hin. Ich hab ja soviel Platz, da könnte ich doch auch einmal größere Flecken mit denselben Stauden bepflanzen und eine Flächenwirkung erzielen. Oder ich setze eine Teichschale ein und lege eine malerische Uferbepflanzung an. Wie wär’s mit einem kleinen Hügel? Ich muss dringend meine gesammelten Gartenzeitschriften durchforsten, da finde ich sicher noch viele Ideen.

Bevor ich jetzt endgültig abhebe, sollte ich mir einmal den alten Maßstab meines Vaters zur Hand nehmen und schauen, wie groß der Platz tatsächlich ist. Auch wenn die Fläche durch das plötzliche Fehlen der großen Sträucher gewaltig wirkt, sind es in Wahrheit doch nur ein paar Quadratmeter, wahrscheinlich nicht einmal zehn. Und es sind ja glücklicherweise noch ein paar Monate, bis ich loslegen kann. Da klärt sich der wilde Strudel von bizarren Möglichkeiten zu praktikablen Lösungen. Es wird auf alle Fälle ein spannender Winter.

Eure Flora

James II.
Da kann der Sturm kommen!
Sooo viel Platz?!

Schreibe einen Kommentar