Qualität zahlt sich aus
Wer kennt sie nicht, diese großspurigen Gestalten in Baumärkten oder Blumenhandlungen, prächtig anzuschauen, ideale Gastgeschenke für Gartenbesitzer und vor allem Gartenbesitzerinnen. Sie machen ja echt was her und kosten ungefähr so viel wie ein ansehnlicher Blumenstrauß. Meist halten sie auch nicht länger, auch wenn sie vom ersten Moment an liebevoll versorgt und gleich am nächsten Tag an einen passenden Platz ausgesetzt werden. Meine Tochter verzweifelte, als der riesige Margeritenbusch, den sie von ihrem Freund zum Geburtstag im April bekam, nur mehr vertrockneter Kompost war, noch bevor sie ihn bei der nächsten Schön- bzw. Warmwetterphase in einen Kasten vor ihr Küchenfenster umtopfen konnte. Sie gab ihn mir „zum Retten“. „Du kannst das“, meinte sie flehentlich. Konnte ich nicht. Als erstes schnitt ich ihn komplett zurück, tauchte den Topf und stellte ihn in den Halbschatten. Nach drei Wochen gab ich es auf, da trieb nichts mehr aus. Als ich die dürren Stängel aus der Erde zog, sah ich auch warum. Von Wurzeln keine Rede, drei höchstens vier Zentimeter lange Stummeln hätten den überdimensionalen Buschen ernähren sollen, keine Haarwurzeln, keine Verankerung im Topf. Als einzigen Trost konnte ich meinem armen Kind nur erklären, dass es nicht ihre Schuld gewesen war.
Ich hatte nach mehreren Fehlversuchen jahrelang Freude an meinen Knollenbegonien, nachdem ich sie einmal nicht in der Gartenabteilung des Baumarktes, sondern um den doppelten Preis bei meinem Friedhofsgärter gekauft hatte. Ich sprach die Gärtnerin darauf an und sie erklärte es mir bereitwillig. Knollen als Handelsware werden im Februar angetrieben und zwar mit Nährlösungen, damit sie im Mai verkaufsfertig sind, also in voller Blüte stehen. Den Rest des Jahres zehren sie zwar noch von den Resten ihres Kraftfutters und blühen weiter, erschöpfen sich aber gleichzeitig bis zum Verhungern, weil kein Nachschub mehr kommt. Die Ausbildung eines vernünftigen Wurzelsystems, das sie ernähren könnte, bzw. Vorräte in ihren Knollen zu speichern haben sie nie gelernt. Spätestens im Herbst sterben die künstlichen Kraftlackeln ab. In der Gärtnerei hingegen werden nur Vorjahrespflanzen verkauft, die ausreichend Zeit hatten, sich zu entwickeln und auf natürlichem Wege zur Blüte zu kommen. Eingebunden in diesen Kreislauf überstehen sie mühelos den Winter und fangen im nächsten Jahr von vorne an. Das erklärt den höheren Preis, vielleicht sind auch die Blüten nicht so riesig und kommen zwei, drei Wochen später im Jahr. Die Geschichte erinnerte mich an die Typen aus dem Fitnesscenter, die alle möglichen Pillen und Pulver in sich hineinschütten, um möglichst rasch und beeindruckend zu Bodybuildermuskeln zu kommen. Mit vernünftigem Training allein kämen die aufgeblasenen Popeyes nicht zustande.
Noch ein Beispiel? Als ich meinen Seerosenteich anlegte, suchte ich lange und sorgfältig nach einer Spezialgärtnerei für Wasserpflanzen, fuhr bis nach Strasshof und erstand dort eine Zwergseerose. Bald hatte sie Blüten angesetzt und erfreut mich seither laufend mit ihren weißen Sternen. Auch als ich sie heuer in den Brunnen umsetzte, war sie nicht beleidigt, hielt zwar kurz inne, bildet aber mittlerweile schon wieder die vierte Blüte aus. Das zweite Exemplar, das an ihrer Stelle im Seerosenteich Platz nahm, kaufte ich kurzerhand im nächsten Gartencenter. Ist ja viel billiger, dachte ich mir, ich spare mir die weite Fahrt und die Seerosen wachsen ja eh wie Unkraut. Bisher habe ich vergeblich auf eine rote Blüte gewartet, die einzige Farbe, die ich zu sehen bekomme, ist gelb in Form von Blättern. So wie sie dreinschaut, überlebt sie den Winter nicht, dann pilgere ich nächstes Jahr wieder nach Strasshof und leiste Abbitte.
Wieder einmal komme ich auf meine Lieblingsgärtnerei Sarastro zu sprechen. Hier wird (fast) alles selbst vermehrt und (wahrscheinlich mehrmals) umgesetzt, bis eine vernünftige Topfgröße für den Verkauf erreicht wurde. Ist eine Pflanze noch nicht soweit, müssen die Kunden halt warten, auch wenn die Nachfrage noch so groß ist. Den Umzug in den eigenen Garten stecken die Setzlinge dann spielend weg und wachsen munter weiter. Auch Sarastro-Pflanzen gehen manchmal ein, aber der Prozentsatz ist gering und meist sind Schnecken oder Pilze beteiligt oder ich hab mir die falsche Pflanze eingebildet. Keinesfalls liegt es an einer schlechten Durchwurzelung im Topf, manchmal muss ich sogar noch Wurzeln zurückschneiden, damit ich die Pflanzen überhaupt aus dem Gefäß herausbekomme. Dafür protzen die Pflanzen nur in ihrer natürlichen Blütezeit mit bunten Farben, ansonsten kauft man kleine Blattgewuschel und muss auf die nächste Saison vertrauen. Als Gastgeschenk eignen sich solche Töpfchen nur für ausgemachte Kenner und die wenigsten meiner Besucher möchten zu meinem Leidwesen so „mickrige“ Gastgeschenke mitbringen. Bitte, traut euch! Mir tut es weh, wenn die anfangs schönsten Stauden nach wenigen Wochen eingehen oder vor sich hin vegetieren. Die besten Beispiele stehen nebeneinander in meinem Bauerngarten. Während sich die kleine Chrysantheme „Mei Kyo“ aus Sarastro-Zucht (siehe „57 neue Freunde„) zu einer 40 cm breiten Staude entwickelt hat, darbt die große gelbe Kugel, die mir wenige Tage später eine Freundin geschenkt hat, heuer mit nur einem Stängel vor sich hin. Na ja, immerhin hat sie überlebt.
Es gibt aber auch Überraschungen. Voriges Jahr habe ich von Freunden eine herrlich blühende Rispenhortensie bekommen. Mir schwante gleich Übles, doch als sie mir erzählten, dass sie sie bei einem Hortensienzüchter in ihrer Umgebung gekauft hatten und dass ihnen der Mann dringend ans Herz gelegt hatte, die Hortensie viel zu gießen, schöpfte ich Hoffnung für das Prachtexemplar. Und tatsächlich: Mühelos hat sich die Hortensie im Wurzeldruck der Blutpflaume etabliert und blüht unermüdlich seit Wochen. Ich nehme an, dass sie langsam zu einem stattlichen Strauch heranwachsen wird, an dem ich noch viele Jahre meine Freude haben werde. Danke!
Mein Mann schimpft gleich wieder mit mir und er hat natürlich recht, wenn er mir Undankbarkeit vorwirft. „Sie wollen dir doch nur eine Freude machen!“, sagt er jedes Mal, wenn ich seufzend und jammernd einen Platz für das neueste Mitbringsel suche. Auch ich habe mich viele Jahre lang von hochgezüchteten Diven blenden lassen und ganz immun bin ich bei aller Erfahrung immer noch nicht. Deswegen habe ich diesen Beitrag nicht nur für euch geschrieben, sondern als mahnende Erinnerung auch für mich.
Eure Flora