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Sichtschutz

Seit dem Entfernen der Feuerdorne (siehe Platz!) zwingt mich das gähnende Loch zu den Nachbarn zum Nachdenken über Hecken, Zäune und Schlingpflanzen, also über alles, was diesen Blick wieder verhindert. Grund genug, einmal prinzipiell darüber nachzudenken, ob und wieviel Sichtschutz angebracht ist.

Für meine Mutter war die Sache ganz einfach: „Ich hab nichts zu verstecken, bei mir kann jeder reinschauen“, verkündete sie stolz und hatte einen nach allen Seiten offenen Garten. Freilich ärgerte sie sich jedes Mal, wenn der Obmann mit strenger Miene irgendetwas rügte. Und in den 60er, 70er-Jahren hatten die Vereinsobmänner stets etwas zu rügen. Nicht einmal ein nasses Geschirrtuch durfte sie am Samstag im Garten trocknen lassen, denn Wäsche aufhängen am Wochenende war laut Gartenordnung strikt verboten! Und der Blick, wenn sie einmal mit dem Jäten hintennach war! Das erste, was ich nach Übernahme des Gartens plante, war eine Hecke entlang der Längsseite meines Eckgrundstücks. Die in den 90ern obligaten Thujen fand ich schon damals grässlich, der Kirschlorbeer war als Heckenpflanze noch nicht erfunden, Fichten fand ich zu stachelig (Gott sei Dank! mittlerweile sind alle Fichtenhecken wegen des Klimawandels unansehnlich geworden oder eingegangen), also blieb nur die teure und langsam wachsende Eibe. Heute würde ich ganz anders an die Sache herangehen, würde eine blühende bunte Hecke anlegen anstelle des monotonen 13 Meter Dunkelgrün, aber so weit war meine gärtnerische Entwicklung damals halt noch nicht. Mit Präriebeet, Blumenwiese und ein paar vorgepflanzten Stauden versuche ich die lineare Wirkung abzumildern. Höchst unpraktisch beim Heckenschnitt, aber viel schöner anzuschauen.

Auch die andere Seite zum Nachbarsgarten pflanzte ich zur Hälfte mit Sträuchern zu, hier variierte ich jedoch mehr mit Spiere, Zierribisel, Hibiskus, Hainbuche und Winterduftschneeball. Meine Nachbarn waren nicht immer da und wenn, störten wir einander nicht. Das änderte sich, als neue Besitzer ein dauerhaftes Wohnhaus bauten. Keiner von uns wollte jederzeit freien Blick über den Zaun und so begannen wir in stillem Einvernehmen, die Lücken zu schließen. Unter dem Marillenbaum blieb mir nach mehreren Fehlversuchen zu meinem Bedauern nichts anderes übrig als zwei Kirschlorbeersträucher zu setzen (siehe Der böse Herr K.). Anschließend ziehe ich an einem Spalier panaschierten Efeu hoch, leider wächst er nur langsam und ist noch ziemlich durchsichtig. Hoffentlich legt er nächsten Sommer in der Breite zu, oben angelangt wäre er schon.

Vor dem Garten verläuft der Anlagenweg, doch anders als auf der Längsseite stören mich hier die Vorübergehenden nicht. In den Bauerngarten und das Große Staudenbeet kann jeder reinschauen, nur auf zwei, drei Meter schirmt mein Weinstock (siehe DOC 59) die freie Sicht ab. Daran will ich gar nichts ändern, ich will mich ja nicht völlig isolieren. Oft bleibt jemand für ein paar Worte stehen, ich kriege ein Kompliment für mein Blumenbeet oder einen guten Tipp für mein mickriges Gemüse. Im Sommer habe ich entschieden mehr Kontakt zu meiner Umgebung als im Winter in der Wohnhausanlage und ich genieße es.

Ganz allgemein ist der Trend jedoch gegenläufig. Bei jeder Neuübernahme kann man davon ausgehen, dass nach Abschluss der unvermeidlichen Bauarbeiten ein hoher blickdichter Zaun errichtet wird, meist der einfallslose Doppelstabzaun mit den eingefädelten Plastikstreifen. Grau und schwarz stehen hoch im Kurs. Wenn doch einmal wenigstens eine Hecke gepflanzt wird, ist es der öde Kirschlorbeer, dessen große Blätter dann bald von der Heckenschere zerfetzt werden. Ich stelle es mir unendlich trist vor, in diesen grünen (oder schwarzen) Mauern zu leben, finde ich es doch schon bedrückend, wenn ich außen vorbeigehe. In immer mehr Gärten kann man überhaupt nicht mehr hineinschauen, was Anlagen wie die unsere doch ausmacht (siehe Fremde Gärten). Den Wunsch, auf der Terrasse oder einem Liegeplatz ungestört zu sein, verstehe ich, aber sich rundherum abzuschotten, ist deprimierend und fantasielos. Unsere Zeit?

Das Garteneck werde ich zupflanzen, keine Frage. Schon, um nicht auf einen grauen Doppelstabzaun schauen zu müssen. Ziemlich fest steht für mich schon ein Säulenzierapfel im Eck, am Zaun entlang wahrscheinlich ein Clematisspalier. Trotzdem, auch wenn ich nicht den ganzen Tag meine Nachbarn sehen will, ein „Tratschplatzerl“ wird immer offen bleiben.

Eure Flora

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