Das Dschungelcamp
Wie konnte das nur passieren? Ich musste mit meinem Laptop (der die Reparatur der letzten Wochen heil überstanden hat und jetzt wieder wie neu aussieht und funktioniert!) auf den Wohnzimmertisch übersiedeln, obwohl ich im Schlafzimmer einen eigenen Schreibtisch habe, wo ich ungestört arbeiten kann. Könnte. Wenn er nicht mit Pflanzen vollgeräumt wäre, die auch im Winter kuschelig warme Füße brauchen.
Nach all den guten Vorsätzen, nichts mehr in der Wohnung zu überwintern, bin ich heuer wieder schwach geworden. Schuld sind, wie ich mir selber einrede, die anderen. Die Besuche, die mir lauter Pflanzen mitbringen, die „bei uns zwar meist einjährig gezogen werden, jedoch ganz leicht zu überwintern sind“. Wenn ich diesen Satz bei der Pflanzenbeschreibung lese, ist es schon um mich geschehen und ich bringe es nicht mehr übers Herz, den Stock im Herbst zu kompostieren. Auch wenn ich ganz genau weiß, dass die Chancen für ein Überleben bestenfalls fifty-fifty stehen, weil ich die passenden Bedingungen nun mal nicht bieten kann. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht wie alle anderen schon im Mai einen prächtigen Buschen habe, sondern sich die Pflanze bestenfalls im Juli von meiner Überwinterung erholt hat. Denn die meisten auf meinem Schreibtisch brauchen höchstens 10 bis 15° C, um eine Winterruhe einlegen zu können, wollen es gleichzeitig aber so hell wie möglich. Am besten ein wenig geheizter Wintergarten oder ein beheizbares Glashaus, das man bei sonnigen Tagen aber abschattieren müsste, denn das wollen sie auch nicht… Mein Schlafzimmer ist zwar ungeheizt, aber weniger als 19° C hat es nicht einmal nach dem morgendlichen Lüften, und ums Licht müssen sie sich streiten. Am Fensterbrett und in vorderster Reihe stehen meine kostbaren Strelitzien und die Wildchilis. Auf dem Tisch, und dort ist es wahrscheinlich schon zu dunkel, kämpfen die Anthurie (aus der hübsch bepflanzten Gießkanne, die ich von meinem Sohn zum Muttertag bekommen habe), ein Kapkörbchen und mehrere Flammende Käthchen ums Überleben.
Dass ich letztere durch den Sommer gebracht habe, grenzt schon an ein kleines Wunder. Innerlich seufze ich, wenn ein Besuch mit den bunten Blühern auftaucht, denn normalerweise haben die kleinen Kalanchoen bei mir eine Halbwertszeit von sechs Wochen. Sobald sie abgeblüht sind, begeben sie sich zur ewigen Ruhe. Heuer habe ich gleich drei besonders hübsche Exemplare bekommen (rot, gelb-rot gefleckt und rosa). Diesmal habe ich aufgepasst wie ein Haftelmacher, gleich umgesetzt oder gedüngt, immer nur schlückchenweise, dafür mehrmals täglich gegossen, stets für freundlich hellen Halbschatten gesorgt, das Verblühte nicht zu früh abgeschnitten – und es hat funktioniert. Die rote hat bis vor kurzem dauergeblüht, die gefleckte hatte einen glanzvollen zweiten Schub und die rosa steht zwar schon grün da, schaut aber dafür besonders saftig und kräftig aus. Wenn ich mit dem Gießen vorsichtig bin, könnte ich sie im nächsten Sommer in eine Schale zusammenpflanzen… Haltet mir die Daumen!
Das Kapkörbchen verbiegt sich bereits nach einer Woche Richtung Fenster, es ist ihm also definitiv zu finster auf seinem Platz. Pech gehabt, die restlichen Fensterplätze in der Wohnung sind bereits an Zitronengras, Basilikum, Koriander und Strelitzie vergeben (oder befinden sich direkt über einer genutzten Heizung). Das wird ein langer, harter Winter für die sonnenhungrige Zweijährige. Sorgen mache ich mir auch um meine geliebten Ficus benjaminae, die für die Wintergäste ein bisschen wegrücken mussten. Das mögen sie gar nicht, werfen gleich ihre Blätter ab und stehen dann wochenlang struppig und beleidigt da.
Ich kann nur hoffen, dass sich der ganze Aufwand lohnt. Da ich vor zwei Jahren das gesamte Schlafzimmer den Chilis überlassen habe, die dann völlig ungerührt bis auf eine einzige im Spätwinter verdorrt sind, habe ich vorigen Winter tatsächlich meinen guten Vorsatz, nichts mehr zu Hause zu überwintern, durchgezogen. Was sich mit rund 5° C zufrieden gibt, bleibt ohnehin mit Frostwächter im Gartenhaus (Agapanthen, Dipladenie, Wandelröschen, Fuchsien, Mexikanischer Salbei, Duftpelargonie…). Heuer hingegen haben liebe Freunde so viele prächtige Schalen angeschleppt, wär doch schade… Ich sag’s ja, es sind die anderen schuld.
Eure Flora