Das Kleingedruckte
Wer kennt sie nicht, die tollen Angebote, die sich bei näherem Hinsehen und genauem Studium der Fußnoten und Anhänge als mit Fallen gespickte Enttäuschungen entpuppen, die regelmäßig die Konsumentenschützer beschäftigen? Daran muss ich stets denken, wenn ich in Zeitschriften lese und in Gartensendungen gebetsmühlenartig höre und sehe, dass es nichts Pflegeleichteres als Staudenbeete gibt. Lediglich im Frühjahr muss man das Verdorrte abschneiden und schon steht den lieben langen Sommer lang der müßigen Gartenfreude nichts im Wege. Dass ich nicht lache!
Mit dem Schlagwort „Garten für Faule“ kann man nur Gartenneulinge beeindrucken, gewiefte Gärtnerinnen und Gärtner ahnen schon, dass es mit dem Liegen auf der faulen Haut nichts wird. Nichts gegen Staudenbeete, ich habe ja selbst jede Menge davon, aber ohne Arbeit geht es nicht. Die meisten Stauden benötigen zwischendurch einen Rückschnitt oder einen Formschnitt, zumindest muss laufend Verblühtes entfernt werden, sonst hören sie auf zu blühen. Oder sie fallen auseinander und lechzen nach Stäben und Staudenringen (in die sie keinesfalls hineinwachsen, wenn man sie ihnen vorher hinstellt), brauchen eine Nachdüngung, werden von Nachbarn bedrängt, müssen alle paar Jahre ausgegraben und geteilt werden, überleben nicht ohne Winterschutz… Bevor man auf das Prädikat „pflegeleicht“ hereinfällt, lohnt sich jedenfalls eine genauere Recherche, welche Macken das Objekt der Begierde hat. Auf den bunten Schildchen steht bestimmt nichts darüber.
Mein geliebtes Storchschnabelbeet, das mir viel Freude macht, beherbergt zehn verschiedene Sorten. Die Hälfte davon wird nach der großen Frühsommerblüte schäbig und muss bodeneben abgeschnitten werden. Am Fuße der zwei Meter hohen englischen Rose „The Pilgrim“ ist das ein mühseliges Unterfangen. Zuerst rupfe ich die langen Triebe aus der Rose, dann schüttle ich das sternrußtauverseuchte Rosenlaub aus dem Schnittgut, ehe ich es komposthaufengerecht in kleine Stücke zerteile. Nun schaffe ich es endlich, das kranke Laub aus dem Beet zu fummeln. Die Erde, die unter dem Storchschnabeldickicht zum Vorschein gekommen ist, sieht auch nicht mehr so makellos aus wie im Frühjahr, hier hat sich ungestört jede Menge Unkraut breit gemacht. Also jäten, ausstechen, Erde auflockern, dann Biofert aufstreuen und gründlich wässern. Zwei Tage Arbeit. Meine Storchschnäbel treiben zwar wieder buschig grün aus, von einer zweiten Blüte halten sie jedoch nichts. Die anderen wiederum, die Dauerblüher wie Tiny Monster und Dilys, gebärden sich reichlich unverschämt und müssen zwei-, dreimal pro Sommer mit Nachdruck zurückgedrängt werden.
Die Katzenminze, ein Musterbeispiel für pflegeleichte Blütenpracht, blüht tatsächlich ein zweites Mal, wenn ich sie nach der ersten Blüte stark zurückschneide. Mein Exemplar wird von Jahr zu Jahr größer und ausladender und wuchert nach links in die Stachelbeere, nach hinten in den Maschendrahtzaun und nach rechts in die historische Rose „Ferdinand Pickard“ hinein. Dass der Rückschnitt nicht ohne zerkratzte Arme vonstatten geht, liegt auf der Hand, egal wie langsam und vorsichtig ich die Schere schwinge. Die Salvien nehmen mir den empfohlenen Kahlschlag übel. Entweder sie treiben in diesem Jahr gar nicht mehr aus oder nur sehr kümmerlich. Wenn ich aber eine Handbreit über dem Boden nach kräftigen Verzweigungen suche und dort die Schere ansetze, belohnen sie mich sogar mit einer zweiten Blüte. Wen kümmert’s da, dass dieses Vorgehen dreimal so viel Zeit in Anspruch nimmt als das bodennahe Abschneiden?! Taglilien und Fackellilien haben ihre Saison, da kommt danach nichts mehr, aber die kahlen Stängel sehen nicht sehr dekorativ aus und ich entferne sie. Bei den Taglilien vergilbt nach der Blüte die Hälfte der Blätter und die Horste sind unschön braun gestreift. Das dürre Laub einzeln auszuschneiden tue ich mir nicht an, aber nach einiger Zeit kämme ich mit den Händen das Gröbste heraus.
Mädchenaugen, Skabiosen, Sonnenhüte, Ehrenpreis, Phlox, Blutweiderich – die Liste der Schützlinge, die laufend nach Abgeblühtem durchsucht werden müssen, ist lang. Freilich verlängert diese Maßnahme die Blühdauer, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte Tag und Nacht mit der Schere durch den Garten streifen und wäre immer noch nicht fertig. Kaum lehne ich mich zurück und betrachte voller Genugtuung ein gerade bearbeitetes Beet, schon sehe ich wieder dies und das und bin am Verzweifeln.
Ach, ich will’s ja nicht anders. In Wahrheit stört mich die Gartenarbeit gar nicht, ich beschäftige mich gerne mit meinen Pflanzen. Nur ist es im Moment in Wien so heiß und schwül, dass jeder Handgriff zuviel ist. Wenn uns wenigstens die täglich prophezeiten Wärmegewitter erreichen würden, ich komme mit dem Gießen nicht mehr nach. Ein paar Grad weniger und schon hör ich auf mit der Jammerei, versprochen.
Eure Flora