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Die neue Nr. 1

Vor drei oder vier Jahren hat es angefangen. Christians ganzer Stolz, eine Phalanx bunter Chilitöpfe, stand auf der Terrasse und gedieh prächtig. Bis uns auffiel, dass einige Chilis matschige braune Stellen bekamen. Ok, sofort, nachdem sie Farbe bekommen haben, ernten. Aber auch immer mehr grüne, unreife Chilis wiesen diese hässlichen Flecken auf. Eines Tages entdeckte ich ein krabbelndes Insekt auf einer Frucht und befragte das Internet. Nach langer Sucherei und Fotovergleich identifizierte ich den Missetäter: Eine Marmorierte Baumwanze saugte fröhlich an unseren Chilis. Was heißt eine?! Einmal sensibilisiert fand ich gut ein Dutzend der Mistviecher in meinen Töpfen, schnipste sie mit dem Finger weg und zertrat sie auf dem Boden.

Bald darauf häuften sich die Artikel in den Gartenzeitschriften über die Einschleppung der lästigen Gäste aus Ostasien. Bisher hatte ich nur im Frühjahr harmlose Feuerwanzen und im Sommer gelegentlich Beerenwanzen im Garten gehabt, mit denen ich gut leben konnte. Sie stürzten sich vornehmlich, aber zurückhaltend auf meine Brombeeren. Die neuen Schädlinge tauchten aber bald überall auf und sie brachten Verwandtschaft mit. Bald kamen mir Grüne Stinkwanzen, Rotbeinige Baumwanzen und vor allem Grüne Reiswanzen unter, hin und wieder Lederwanzen und Streifenwanzen. Letztere versammeln sich geballt auf der Wilden Möhre und lassen meine Früchte in Ruhe, sie stören mich also nicht weiter. Aber die Reiswanzen! Sie nuckeln überall. An meiner ersten Pfirsichernte hatte ich sichtbare Saugschäden, meine Zuckertomaten haben samt und sonders eine schlaffe, leicht eingeschrumpelte Haut und die Kürbisse ruinieren sie schon im Anfangstadium komplett. Lediglich einer hat es geschafft, vor der heimtückischen Attacke so groß und widerstandsfähig zu werden, dass sie ihm (hoffentlich!) nichts mehr anhaben können. Trotzdem hocken sie dicht gedrängt auf dem Plutzer und ich mache mir Sorgen.

Große Versammlung
Na, das wird nix mehr!

Na großartig, was als Pflänzchen die Schnecken überstanden hat, fällt nun den Wanzen zum Opfer. Dabei ist der Ansturm so gewaltig, dass das Entfernen einzelner Exemplare geradezu absurd wirkt. Auf zig Seiten im Internet habe ich nur wenig über aktuelle Fressfeinde gefunden, bestenfalls vergreifen sich Marienkäfer oder Laufkäfer an den Eiern der Biester, ohne große Breitenwirkung. Hoffnung macht eine kleine Schlupfwespe, die ebenfalls aus Asien eingeschleppt wurde. Die Samuraiwespe wird nur 2 mm groß, legt ihre eigenen Eier in die Eier der Wanzen und breitet sich (laut Schweizer Insektenkundlern) schnell über die Alpen aus. Bis sie in meinem Garten angelangt ist, wird es wohl noch zwei bis drei Jahre dauern. Der Artikel bezieht sich zwar nur auf die Marmorierte Baumwanze, aber auch in Beiträgen über Reiswanzen wird vage von Schlupfwespen gesprochen, es werden bereits Gelege zum Kauf angeboten. Ich frage mich nur, wie lange es dauert, bis wir dahinterkommen, welche Nachteile die Ausbreitung der Schlupfwespen mit sich bringt. Der Asiatische Marienkäfer wurde schließlich auch zu Beginn als biologischer Blattlausbekämpfer eingesetzt und stellt jetzt für heimische Marienkäfer und Nützlinge bereits eine Bedrohung dar.

Alles in allem wird der Obst- und Gemüseanbau immer entmutigender. Christian redet mir schon zu, dass ich es ganz lassen soll, der Ertrag ist lächerlich gering. Vielleicht beschränke ich mich nächstes Jahr auf Kartoffeln und Mangold und wickle den Kürbis in Schutznetze. Dazu kommt, dass mir die Wanzen den Aufenthalt auf der Terrasse unter der Blutpflaume verleiden, weil sie in Scharen vom Baum plumpsen. Unter dem Marillenbaum ist es (noch) besser, da wische ich nur hin und wieder einen Widerling vom Arm. Vorsichtig natürlich, denn beim Zerquetschen stinken die Viecher auch noch.

Ich hätte nie gedacht, dass irgendwer auf meiner gärtnerischen Hass-Skala den Schnecken den Rang ablaufen könnte. Heuer ist es soweit. Ich habe eine neue Nummer 1.

Eure Flora

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