Mich frisst der Neid
Diesen Satz habe ich vor zwei Wochen in ein Gästebuch geschrieben. Eigentlich hieß es da „Uns frisst der Neid“, denn wir haben den Eintrag zu dritt verfasst. Wir waren mit dem Gartenklub „Acanthus“ (www.lustgaertner.at) unterwegs, die Golden Gardengirls (siehe „Wenn eine eine Reise tut…“) und ich bildeten eine Fahrgemeinschaft. Privatgärten in der Wachau links und rechts der Donau standen auf dem Programm. Der letzte Garten und dramaturgischer Höhepunkt des Ausflugs war der „Natur im Garten“-Schaugarten der Familie Fischer in 3508 Höbenbach.
Der Garten steht unter dem Motto „Hausgarten trifft Naturoase“ und dieser ein wenig spröde Titel bezieht sich auf die zwei Teile des Gartens. Der erste, ältere Teil wurde, wie uns Karl Fischer erzählte, vor 30 Jahren während des Hausbaus angelegt, wobei der Garten früher fertig war als das Haus. Man muss halt Prioritäten setzen. In erster Linie sollte der Hausgarten die Familie versorgen, auch ein Hühnerstall wurde mit eingeplant. Hühnerstall mit Aussicht, wohlgemerkt, denn vom Grundstück hat man einen umwerfenden Blick auf das nahegelegene Stift Göttweig. So prächtig der Garten unter den Händen von Traude Fischer auch gedieh, die 550 m² wurden der leidenschaftlichen Gärtnerin bald zu klein (Woher kenne ich das nur?). Vor zehn Jahren eröffnete sich die Möglichkeit zum Ankauf des Nachbargrundstücks mit 1.300 m², eine Brachfläche zum freien Gestalten. Großes Ziel war es, ein Naturparadies zu schaffen, in dem sich Mensch und Tier (und natürlich auch die Pflanzen) wohlfühlen. Gleich hinter dem Haus ist eine große Fläche den Himbeeren gewidmet, deren Ruten ordentlich in Reih und Glied stehen. O mein Gott, das alles abzuernten, das dauert Tage! Kernstück der rechteckigen Anlage ist erneut ein großer Gemüsegarten, umgeben von einem Staketenzaun, auf dem unzählige Kaffeehäferl thronen. Der Zaun ist wegen der Rehe nötig, die gerne zu Besuch kommen, erklärt uns Karl. Rundherum sind zahllose Blumen angeordnet, vorwiegend insektenfreundliche Stauden, Wildblumenwiesen wechseln sich mit bunten Beeten ab, verschlungene gemähte Wiesenwege laden zum Schlendern und Entdecken ein. Kein Fleckchen bleibt unbepflanzt, allerorts herrscht üppiges Wachstum. Gewöhnliche Allerweltspflanzen stehen neben Raritäten, von denen ich nicht einmal den Namen kenne. Einen genauen Plan scheint es nicht zu geben, es hat sich alles im Laufe der Zeit entwickelt, hören wir.
Das ganze Areal strotzt vor kreativen Ideen. Da begrenzen große Topfdeckel ein Beet, dort wurde ein Blumengestell aus den 70ern mit Hauswurz bepflanzt. An einem wunderschönen eisernen Pavillon im „Altteil“ ranken sich Kürbisse und Gurken hoch. Der Kräutergarten ist mit selbst bemalten Blumentöpfen fein säuberlich beschriftet, ebenso die umfangreiche Salviensammlung am Verbindungsweg zwischen den beiden Gartenteilen. Figuren aus Stein, Holz, Keramik, Baumstämme, Windmühlen, ausrangierte Küchengeräte, ja sogar Lusterlampen dienen der Verschönerung und fügen sich harmonisch in das Gesamtkonzept ein. Und die vielen Töpfe, die sich überall dazwischen tummeln! Ich bin mit meinen paar Kübelpflanzen schon ständig überfordert. Ich habe die Wasserstellen nicht gezählt, aber mir kam es so vor, als wären haufenweise Gartenschläuche strategisch verteilt. Muss wohl so sein, ohne Gießen wird’s ja auch dort nicht gehen.
Meine Frage nach Helfern im Garten verneint Karl, das meiste mache seine Frau, da lasse sie sich ohnehin nicht dreinreden, nur die „schweren“ Arbeiten übernehme er. Ich will es ihm gerne glauben, vorstellen kann ich es mir nicht. Irgendwas mache ich falsch, wenn ich mit meinen vergleichsweise lächerlichen 350 m² nicht zu Rande komme. Jedes Projekt(erl) kostet mich meine ganze Kraft und dort sind hunderte verwirklicht! Im Urlaub (!) gießt der Nachbar und die ebenso gartenbegeisterte Tochter kommt nachschauen. Wir fahren im Dezember nach Hamburg, weil im Sommer geht nicht (siehe „Endlich reisen!„). Und wenn ich daran denke, wie lange ich jedes Frühjahr beschäftigt bin, bis endlich alle Stauden zurückgeschnitten sind…
Der Frust schwindet schnell, die Tische biegen sich unter (selbstverständlich selbst gemachten) himmlischen Schaumrollen und Nußecken und die Schwiegermutter bringt immer noch mehr Platten. Schüsseln mit saftigen Feigen (woher wohl?) stehen herum und zum Abschied bekommt jeder ein Gläschen Himbeermarmelade. Wie betäubt taumeln wir zum Auto. Vorher haben wir noch dem Wunsch des Gastgebers entsprochen und uns ins Gästebuch eingetragen. Was soll man über so überwältigende Eindrücke schreiben? „Uns frisst der Neid.“
Eure Flora
PS: Details zu diesem Schaugarten findet ihr unter https://www.naturimgarten.at/schaugärten.html