Nichtblüher
Jahr für Jahr schiebt meine Agapanthe (siehe „Mein größter Stolz„) ihre blauen Blütenbälle in die Höhe und jeden Sommer werden es mehr. Heuer sind wir auf acht Kugeln, die meine Terrasse verschönern. Die einzige Sorge, die sie mir bereitet, ist ihr Wachstum. Nächstes Jahr werde ich mich schon wieder um einen größeren Topf umschauen müssen, bevor sie ihre Behausung mit ihren dicken Rhizomen sprengt.
Gott sei Dank verhalten sich die meisten Blumen in meinem Garten so. Sie nehmen meine Fürsorge dankbar an, sprießen um die Wette und beschenken mich mit üppiger Blütenfülle. Doch leider gibt es auch ein paar Arbeitsverweigerer. Entgegen allen Versprechungen aus dem Gartenkatalog, den bunten Schildchen in der Gärtnerei und den Internetratgebern beschränken sie sich auf ein fröhliches Blattgewuschel ohne Farbtupfer. Ein paar Beispiele gefällig?
Da ist einmal meine Liriope, die Glöckchentraube, stets als unkomplizierter, unverzichtbarer Herbstblüher bezeichnet. Seit der Anlage des Schattenbeets warte ich auf ihre lila Trauben, zu sehen ist nur ein dichter grasartiger Polster, den ich bisher nur deshalb nicht entfernt habe, weil es unter der Blutpflaume wenigstens grün ist. Letzten Herbst hat sie sich endlich einmal bequemt, zwei winzige Blütenrispen hervorzubringen, die allerdings klein blieben und bald vertrockneten. Das zierliche Tränende Herz „Bacchanal“, das ich voriges Jahr an den halbschattigen Rand gepflanzt habe, hat sich gleich ein Beispiel genommen. Hübsche gefiederte Blättchen, wenn auch nicht allzu viele, aber weit und breit keine tränenden Herzen (außer meinem).
Die eher kleinblütigen Taglilien „Stella d’Oro“ gelten als ausdauernde Sommerblüher. Das Wiener Stadtgartenamt pflanzt sie seit Jahren in naturnahen Rabatten und es war ihr Blütenreichtum in Sonne und Schatten, der mich speziell zu dieser Sorte greifen ließ. Ursprünglich standen sie bei meinem Liegeplatz, wo morgens und abends tiefer Hausschatten herrscht und nur um die Mittagszeit die hochstehende Sonne hinknallt. Keine Blüten. OK, Standort zu extrem, ich versetzte sie in den kompostgetränkten sonnigen Bauerngarten. Keine Blüten. OK, zu sonnig, ich teilte die fleißig größer werdenden Horste und verpflanzte sie an den schattigen Fuß einer Rose, ins große Staudenbeet in den Halbschatten und ein Büschel in eine Kiste, die ich auf die Terrassenstufe in die Sonne stellte. Letzteres ist der einzige Teil, der wenigstens hin und wieder eine Blüte hervorbringt, der Rest begnügt sich mit einem Dasein als grüner Bodendecker.
Die einjährige Sternwinde „Spanische Flagge“ hat ihren Sortennamen von den rot-gelben Blüten, die der wüchsige Kletterer den ganzen Sommer über zeigt. Ich frage mich, wann für sie der Sommer beginnt. Meine Sternwinde schlängelt sich unaufhörlich an ihrem Rankgitter hoch, sodass ich die Spaliere bereits um ein Konstrukt aus frischen Haselnusszweigen erhöhen musste. Sie hat auch diese zusätzlichen Bögen bereits erobert und wird ständig mit Neuaustrieben aus ihren Blattachseln dichter. Den Ansatz einer Blüte konnte ich bisher nicht entdecken. Junge Dame, wir haben Juli, es wird schön langsam Zeit!
Im Frühjahr nahm ich von der Raritätenbörse eine Staudenclematis mit. Ich suchte eine kräftig blaue Sorte aus, die schön mit einem hellgrauen Topf harmonieren würde. Es blieb bisher beim Konjunktiv. Denn auch wenn sie sich sichtlich wohl fühlt und an Größe ordentlich zugelegt hat und auch wenn ihre großen hellgrünen Blätter vor der Haustür einen netten Blickfang ergeben – wo sind die Blüten? Braucht sie noch eine Saison, um sich richtig einzuleben, oder reiht sie sich in die Riege der Rohrkrepierer ein?
Liebe Freunde, ihr verlasst euch auf meine Gutmütigkeit. Ich tu so als ob und dann tut sie mir eh nix, denkt ihr euch, speist mich mit vielen Blättern ab und wähnt euch in Sicherheit. Was fällt euch ein, meine Gastfreundschaft so zu missbrauchen?! Ihr kriegt ein gemütliches, gut ausgestattetes Heim, reichlich zu futtern und Getränke aufs Haus und gebärdet euch wie die nichtsnützigen Freier in Odysseus‘ Haus? Wenn euch was nicht passt, dann geht gefälligst ein und haltet mich nicht jahrelang hin, das ist schäbig. Ich warne euch: Irgendwann reißt auch mir der Geduldsfaden und ihr landet auf dem Kompost. Gebt nur acht!
Eure Flora