Säufer
Im letzten Sommer fragte mich eine Frau aus der Anlage, ob ich eine Schneeforsythie haben wolle (siehe Gartentagebuch 2022, 19. September). Sie meinte, bei ihr stehe der Strauch zu sonnig, das tue ihm nicht gut. Da die Schneeforsythie außer ihrem Aussehen nichts, aber auch gar nichts mit den nektarlosen Forsythien zu tun hat, sondern ganz im Gegenteil den Hummelköniginnen schon im zeitigen Frühjahr einen reich gedeckten Tisch bietet, schlug ich sofort zu. Obwohl sie nicht viele Wurzeln mitbekommen hatte, wuchs sie an und blühte im Frühjahr ganz zauberhaft, wenn auch noch ein wenig zögerlich. Bald nach der Blüte zeigten sich rundum hübsche Blätter und ich verstand nicht, warum man eine so entzückende Pflanze loswerden wollte. Bis es nach dem verregneten Mai im Juni heiß wurde. Ich gieße meine Sträucher normalerweise nicht, schließlich haben sie alle ordentliche Wurzeln und sollen in der Tiefe saugen. Nur die ersten Wochen nach dem Einpflanzen wässere ich regelmäßig. Die Eingewöhnungszeit war für den kleinen Strauch aber längst vorbei und außerdem steht er halb im Schatten meines Liebesperlenstrauchs. Ich kam also gar nicht auf die Idee, dort den Schlauch hinzuhalten, bis ich merkte, dass die Blätter jämmerlich schlaff herunterhingen. Na gut, es war ja wirklich heiß, also gab es eine Extraportion Wasser. Die Schneeforsythie freute sich und sah wieder passabel aus. Am nächsten Tag dasselbe Spiel. Ich schüttete mehr Wasser hin (also wirklich viel!) und dachte, für ein paar Tage müsste das jetzt reichen. Wieder ließ die Schneeforsythie am nächsten Tag alles hängen, als nächstes Geschütz fuhr sie gelbe, welke Blätter auf. Erst nach dem nächsten Starkregen sah sie wieder besser aus, wirkt aber immer noch kränklich. Kein Wunder, dass sie ihr erstes Zuhause verloren hat, stand sie doch in dem anderen Garten an prominenter Stelle mitten in der Wiese! Meine Gartenfreundin, die sich von meiner Pflanzung inspirieren ließ, berichtet übrigens genau dasselbe von ihrem Exemplar. Jedes Mal mindestens 10 l Wasser, sonst schlappt sie.
Im Vergleich dazu benehmen sich meine Hortensien, die ja die Wassersucht schon im botanischen Namen tragen (Hydrangea!), ziemlich harmlos. Bei sehr großer Hitze brauchen Annabelle & Co. einen kräftigen Schluck, geben dann aber ein paar Tage Ruhe.
Dass Kübelpflanzen einen höheren Wasserbedarf haben als Pflanzen, die im Boden wurzeln können, liegt auf der Hand. Schließlich können sie sich keinen Nachschub aus tieferen Schichten holen und so bin ich bei Hitze täglich mit der Gießkanne unterwegs. Was aber das Wandelröschen aufführt, grenzt ans Bodenlose. Jeden Morgen besteht es auf einer vollen Kanne Wasser, sonst sieht es spätestens um 11 Uhr aus wie am Verdursten. Um vier Uhr nachmittags sind die 6 l jedoch ausgesoffen und sofortiger Nachschub ist gefragt. Wie ich diesen Säufer über vier Wochen Urlaub bringen soll, weiß ich noch nicht. Auch wenn meine Tochter jeden zweiten, dritten Tag vorbeikommt, ist es für die Lantana viel zu wenig. Ich habe den ohnehin sehr großen Topf durchdringend gewässert und zwei umgedrehte 1 1/2 l-Flaschen in den Topf gesteckt, nach einem Tag war alles ausgegurgelt und die Blattspitzen zeigten schon wieder nach unten. Ich kann nur auf Regen hoffen.
Das Wandelröschen wird nur noch vom Vietnamesischen Koriander übertroffen, der eine regelrechte Sumpfpflanze zu sein scheint. Ist der Übertopf nach einem Regenguss bis an den Rand voll, läuft er erst zur Hochform auf. Nur ja nicht ausleeren, das nimmt er übel. Wer dieses Kraut nicht kennt, verpasst etwas. Ein paar kleingeschnittene Blätter peppen jedes Gemüse auf, erst recht einen Salat oder Christians berühmte Salsa. Ich bin schon süchtig nach dem Geschmack, der vom normalen Koriander abweicht, dezenter ist (obwohl ich mich in Koriander auch eingraben kann). Ihn werde ich meiner Tochter in die Wohnung stellen, sie soll ihn täglich einweichen.
Angesichts dieser unmäßigen Schlürfer erweist sich das Präriebeet als eine fantastische Idee. Nach der Neuanlage habe ich nur ein paar Mal nachgegossen und die Pflanzen haben die ärgste Julihitze locker ausgehalten. Nächstes Jahr kümmere ich mich gar nicht mehr drum. Ich habe schon genug Durstige.
Eure Flora