Spitzentanz
Im Herbst habe ich Weinbergtulpen und Wildnarzissen in meinen Garten eingegraben. Zwiebelpflanzen zu setzen zählt nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, denn es ist meist unendlich mühsam (siehe „Wildtulpen„) oder gefiederte Gartenmitbesitzer machen meine Pläne zunichte (siehe „Das Schneeglöckchen„). Außerdem muss man ein halbes Jahr warten, um das gewünschte Ergebnis (hoffentlich!) zu sehen. Also nichts für eine ungeduldige Gärtnerin. Aber wer schon bei den ersten Arbeitsbesuchen im Frühjahr Blüten bewundern will, muss in den sauren Apfel bzw. in die harte Erde beißen.
Schon im Jänner konnte ich es kaum erwarten, erste Spuren meiner Aktion zu entdecken. Diesmal war ich so schlau, mir die Plätze aufzuschreiben, wo ich neue Freunde verbuddelt habe. Und tatsächlich, in der Blumenwiese hatte ich einige Löcher gestanzt, um sie mit den reizenden Frühjahrsblühern zu füllen, und bei zweien zeigten sich bereits zarte Spitzen. Hurra! Wenigstens war die Plackerei nicht völlig vergebens.
Diese Woche fuhr ich mit meiner Tochter zum Nachschauen in den Garten und suchte erneut alle Plätze ab. Überall dringen kleine Lanzen aus dem Boden, scheinen sich auch schon vermehrt zu haben, denn so viele Zwiebeln habe ich gar nicht gekauft. Begeistert schleppte ich mein Kind von einer zur anderen Stelle, bis ich ihrem befremdeten Blick anmerkte, dass ich es wieder einmal übertrieb mit meiner Leidenschaft. „Ich würd die Winzlinge nicht einmal sehen“, bemerkte sie lakonisch, fügte aber brav „toll“ hinzu. Während der Garten für mich auch im Winter eine Fülle an Geheimnissen birgt, ist er für sie nur unansehnlich, öd und leer.
Ich zeigte ihr eine 3 cm große Weinraute im Blumenkasten und sie wunderte sich weiter über ihre verrückte Mutter. Dass dieser Sämling der einzige war, der aus einer halben Packung Samen überhaupt gekeimt hatte und dass er den Winter im Freien tapfer übersteht, ist wohl nur für mich eine Sensation. Der Nickende Lauch, den ich großzügig im Wegbeet verteilt habe, lässt sich noch nicht blicken. Er braucht Kälte zum Keimen, habe ich nachgelesen. Na, die hätte er ja heuer, jetzt nur noch ein bisschen Frühlingssonne und er kann sprießen. Sicherheitshalber habe ich den Rest am Fensterbrett ausgesät, morgen kommt er für vier Wochen zum Kältereiz ins Freie und dann wieder ins gemäßigt Warme… Was für eine Diva! Ich hoffe, er ist dann auch so hübsch anzusehen wie eine Primaballerina.
Sehnsüchtig warte ich auch jedes Jahr auf rot-gelb gefleckte Kräuseltulpen im Kräuterbeet. Sie habe ich vor vielen Jahren von meinem Sohn in einem Körbchen zum Geburtstag bekommen, es war das erste Geschenk, das er mir von seinem Taschengeld gekauft hat. Seither blühen sie Jahr für Jahr, haben sowohl die zerzauste Form als auch die Farbe behalten, was noch keine andere Tulpe in meinem Garten geschafft hat. Sie vermehren sich zwar nicht, werden aber auch nicht weniger. Irgendwann werden sie vergehen, das ist mir schon klar, aber hoffentlich noch nicht dieses Jahr.
So vieles gibt es schon zu entdecken. Meine Fuchsien im Haus treiben bereits aus, die Pfingstrosen zeigen dicke Knospen, das Schneeglöckchen reckt seine kleinen Schwerter aus der Betonfuge, am Pfirsichbaum kündigen kleine Verdickungen eine reiche Blüte an. Der Ableger von der Wüstenmalve zeigt im Staudenbeet winzige Blättchen. Wo sind die entzückenden Buschwindröschen?! Einstweilen ist noch nichts zu sehen, die kleinen Blattrosetten sind alles nur Waldmeister. „Wir haben erst den 6. Februar!“, rufe ich mir in Erinnerung, „du musst noch Geduld haben.“
Ach ja, die Geduld! Bei meinem letzten Einkauf in meiner Lieblingsgärtnerei Sarastro warnte mich die Gärtnerin bei einer Pflanze, dass sie so spät austreibe, dass man immer denke, sie hätte den Winter nicht überstanden. Leider habe ich mir weder gemerkt noch aufgeschrieben, bei WELCHER Pflanze sie das dazugesagt hat. War das die Amsonia? Die Schönaster? Oder die Geißraute? Es könnte auch die winterharte Agapanthe gewesen sein, oje.

Ihr seht, meine Balletttruppe ist noch nicht vollständig. Einige tanzen aus der Reihe, andere drängeln sich vor, wieder andere verschlafen ihren Auftritt. Solange sie sich nur kein Bein gebrochen haben, ist mir jede Aufführung recht.
Eure Flora