Unterwegs im Staudenbeet
Das Große Staudenbeet wurde von mir nicht geplant, es hat sich im Laufe der Jahre quasi von selber entwickelt. Ursprünglich war es gar nicht groß, sondern bestand lediglich aus ein paar Blumen rund um eine Scheinzypresse. Als die zu groß wurde und entfernt werden musste (siehe Der Baumstumpf), pflanzte ich stattdessen eine Säulenfelsenbirne und erweiterte das Beet ein bisschen. Und dann noch ein bisschen. Und noch ein bisschen, bis es zu seiner jetzigen Form aufgelaufen war. Seither begnüge ich mich damit, einmal im Jahr die Ränder zur Wiese hin zu definieren und allfällige Lücken neu zu bepflanzen. Ich schätze, dass das Beet zehn bis zwölf Quadratmeter umfasst, was ja gar nicht so riesig klingt. Aber…
Im Großen Staudenbeet zu jäten, erfordert die Geduld und Hingabe eines indischen Yogi. Die bringe ich auf. Allerdings verlangt es auch dessen Gelenkigkeit und Verrenkungskünste und damit kann ich nicht dienen. In dem dicht bepflanzten Beet zu stehen, geschweige denn mich auf einen Schemel zu setzen (was unbedingt nötig ist, denn weder auf Knien noch in der Hocke halte ich es lange aus und gebückt mit krummem Rücken geht schon gar nicht), verursacht unweigerlich Schäden an meinen geliebten Stauden. Gestern erwischte es die Purpurkratzdistel. Ihre starren, unnachgiebigen Triebe traten in Konkurrenz mit meinem Allerwertesten und unterlagen kläglich mangels Masse. Für solche Unfälle stehen im Badezimmer zwei kleine Vasen bereit, wo die Unfallopfer ein würdiges Ende finden.
Leider lassen sich Jätaktionen nicht ganz vermeiden, denn ein paar unerwünschte Pflanzen haben es sich in den Kopf gesetzt, mein Beet zu erobern. Allen voran stürmt die Quecke durch meine Stauden. Listig (siehe Die g’scheiten Blumen) schummelt sie sich zwischen Herbstastern und Rudbeckien, wo sie längere Zeit nicht auffällt. Erst wenn die Blätter der Astern und Sonnenhüte größer und breiter werden, unterscheiden sie sich von den schmalen Halmen der Quecke und dann wird es Zeit, sie von dem Eindringling zu befreien. Jedes Mal, egal wie vorsichtig ich hantiere, grabe ich ein paar Ausläufer meiner Pflanzen versehentlich mit aus, Gott sei Dank sind sie nicht sehr heikel und wachsen fast immer wieder an. Die Quecke auszurotten, schaffe ich natürlich keinesfalls. Aus ihren meterlangen Wurzeln treibt jedes Fitzelchen sofort wieder aus, aber mit jedem Jäten und dem fortlaufenden Wachstum der Stauden wird sie schwächer und lässt sich den Sommer über halbwegs in Schach halten, bis sie im nächsten Frühjahr wieder ungestüm losstürmt.
Mit den Ackerglockenblumen habe ich lange Zeit gehadert. Ausgehend vom Eck beim Gartentor breiten sie sich fächerförmig aus, besetzen die Ritzen im Weg und durchwachsen Goldruten, Sonnenhut und Salvie. Als hübsche Wildblumen habe ich sie nun weitgehend akzeptiert, nur wo sie meine Stauden beengen, dränge ich sie zurück. Dass sie die verschiedenen Sukkulentenarten, die einst das Eck beim Eingang bedeckt haben, gnadenlos überwuchert haben, habe ich gelassen zur Kenntnis genommen. Ich werde die Reste demnächst woanders in Sicherheit bringen. Übrigens habe ich versucht, die wilden Glockenblumen in meine Blumenwiese zu übersiedeln – keine Chance. So wüchsig sie im Staudenbeet sind, in der Wiese verschwinden die Sturschädel sofort wieder.
Als zähester Widersacher erweisen sich die Veilchen. Jawoll, die Veilchen, diese niedlichen kleinen Frühjahrsblüher. Während sie sich in der Wiese ganz zahm verhalten, wo sie nur im März groß auffallen, in drei verschiedenen Farben (lila, zyklam, weiß) blühen und den Garten in eine herrliche Duftwolke einhüllen, entpuppen sie sich in den Beeten als unerbittliche Terroristen. Ihre hartnäckigen Wurzeln verzweigen sich endlos im Boden, ihre dichten Horste ersticken alles im Umkreis. Darüberhinaus sind sie überzeugt davon, Blattschmuckstauden zu sein, denn geblüht hat in den Beeten noch keines dieser monströsen Gewuschel. Immer wieder kontrolliere ich mit der Pflanzenbestimmungsapp (siehe Meine LieblingsApp), ob es sich wirklich um dieselbe Pflanze wie in der Wiese handelt und immer wieder antwortet mir die App mit 100%iger Überzeugung. Früher dachte ich „ach wie hübsch, Veilchen!“, mittlerweile reiße und steche ich sie nur mehr aus, ohne ihrer wirklich Herr zu werden.
Das Mädesüß hat sich heuer prächtig entwickelt, wächst voll und buschig – hoppla! Völlig unbemerkt haben sich zwei Mohnpflanzen dazugesellt, die mindestens die Hälfte des üppigen Grüns ausmachen. Habe ich schon geduldet, dass sich der einjährige Mohn im Bauerngarten breitmacht (Zwiebel und Knoblauch wird es hoffentlich nicht weiter stören), nein, hier nicht auch noch! Obwohl die Schlaumeier schon fleißig Knospen angesetzt haben, gebe ich mir einen Ruck und entferne sie aus dem Beet. Vielleicht könnte ich sie woanders… Schluss jetzt, ich habe schon hundert Mohnpflanzen. Heuer muss ich zusehen, die Samenkapseln rechtzeitig abzuschneiden.
Am Ende eines langen Nachmittags sieht das Große Staudenbeet ordentlich aus, die einzelnen Gruppen lassen sich wieder erkennen und die paar Fleckchen nackte Erde wirken aufgelockert und gepflegt. Morgen soll es regnen, dann ist der Boden tiefgründig feucht und ich erspare mir das tägliche Gießen. Geschafft, das hält jetzt längere Zeit. Also drei Wochen oder so…
Eure Flora