Vollgas!
Mein Garten gibt heuer Vollgas, kein Wunder bei den sommerlichen Temperaturen.
Die Wildtulpen wollte ich alle fotografieren, doch sie waren schneller verblüht als ich die Kamera zücken konnte. Hätte ich sie doch husch, husch mit dem Handy geknipst, jetzt muss ich wieder ein Jahr warten. Auch meine anderen Tulpen sind bereits verblasst und entblättern sich. Der Rosenmonat Juni wird wohl heuer nicht stattfinden, alle meine Rosen haben schon fleißig Knospen angesetzt, die vielleicht sogar noch im April aufblühen werden. Läuse sind jedenfalls schon da und ich habe sie mit Knoblauchsud eingenebelt. Bis die Marienkäferlarven (die die Läuseplage wirklich zuverlässlich beseitigen) kommen, sind meine Rosen zerfressen. Normalerweise tauchen sie pünktlich zwei Wochen nach den Läusen auf, aber wer weiß, sind sie dieses Jahr auch so zeitig dran? Waldmeister und Nesselkönig, klassische Maipflanzen, stehen in Vollblüte, die Nachtviolen haben ihren Zenit bereits überschritten. Sogar erste Storchschnabelblüten zeigen sich vorlaut, sie wären erst im Juni dran.
Wenn ich im Bikini durch den Garten spaziere, ist der Gedanke an Eisheilige ziemlich absurd. Deshalb habe ich vieles bereits ausgesät und gepflanzt, was eigentlich „Mitte Mai“ abwarten soll. Meine Kübelpflanzen sind seit einer Woche alle platziert, zurückgeschnitten und gedüngt und sie treiben wie die Wilden. Erdäpfel und Mangold gucken aus dem Boden. Meine kleine Nachbarin (sie wird jetzt sechs Jahre alt) staunte gestern, wie groß die Kartoffeln schon sind. Erst vor wenigen Tagen habe ich ihr gezeigt, wie die Blätter durch den Boden stoßen. Zusammen mit ihrem kleinen Bruder schleppte sie zwei viel zu große Gießkannen an und die beiden schwappten eifrig meinen ganzen Garten ein. Recht so! Es ist viel zu trocken und ich muss ziemlich oft für die Jahreszeit gießen.
Leider legen nicht nur meine Pflanzen ein rasantes Tempo an den Tag, sondern auch deren Wehwehchen. Der Sternrußtau färbt seit Ende März (!) erste Blätter an „The Pilgrim“ und zu meinem Schrecken auch an „Crimson Siluetta“. Den Austrieb mit Schachtelhalm zu spritzen habe ich verschlafen, jetzt sprühe ich zwar fleißig, aber erfahrungsgemäß hilft das nicht mehr viel. Der Beinwell kämpft wieder einmal mit dem Mehltau, ihn habe ich mit verdünnter Milch behandelt, das hat letztes Jahr gut gewirkt.
Was regst dich auf? Ist halt alles ein bisserl früher dran, du freust dich doch an dem blühenden Garten! Ja, jetzt ist es schön, aber was ist dann im Juni, Juli, wenn die meisten Blumen ihr Pulver schon verschossen haben? Ohnehin ärgere ich mich, dass die Rudbeckien, die ich als Lückenfüller für das Augustloch gepflanzt habe, mittlerweile seit Jahren im Juni blühen. Sagt der ganze Garten Ende Juni „Habe fertig“? Im Spätsommer wird es dann kümmerlich, denn eigenartigerweise rücken die Herbstblüher nicht von ihrem Zeitfenster ab. Obwohl, eigentlich ist es logisch. Die Sommerblüher starten früher, weil es früher warm ist, die Herbstblüher warten aber auf kühlere Temperaturen und kürzere Tage und die stellen sich wie gewohnt ein, also kein Grund für eine Veränderung der Blütezeit. Und somit entkomme ich dem Sommerloch wieder nicht.
Egal. Ich lehne mich zurück und genieße die Pracht ringsherum. Heuer habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass der Garten dort angekommen ist, wo ich hinwollte. Da ein Lückchen, dort eine kahle Stelle, das ist in Ordnung, ein paar neue Pflanzen will ich schon (nächste Woche ist Raritätenbörse im Botanischen Garten!). Aber ansonsten ist der Garten voll, üppig, dicht. Es ist weder der Wunsch noch der Platz für ein neues Beet vorhanden, außer ein paar Dekoideen rund um meinen Liegeplatz will ich diesen Sommer nichts verwirklichen, die Rastlosigkeit der letzten Jahre hat sich gelegt. Ich freue mich auf Gartenfeste, entspannte Nachmittage auf meiner Liege im Schatten mit Unmengen von Büchern und laue Abende auf der Terrasse mit meinem Mann und einem guten Glas Wein. Nix Vollgas.
Eure Flora