Gartenbücher
Was gibt es Schöneres als mich an einem dieser grauen, nebelverhangenen Tage, an denen man gar nicht vor die Tür gehen möchte, mit einem bunten Buch aus meiner Gartenbibliothek und einer Kanne Tee in eine Ecke zu kuscheln und von der nächsten Gartensaison zu träumen? Alleine die Auswahl ist ein Vergnügen, wenn ich vor meiner Bücherwand stehe. Miniteiche oder Insektenkunde, Bauerngarten oder Gartenstyling, Rosen, Gemüse oder etwas Historisches? Nistkästen zum Selberbasteln, englische Cottagegärten, Giftpflanzen – es hat sich ganz schön was angesammelt in den letzten Jahren.
Ach, die Lebensgeschichten der Pflanzensammler und -entdecker, die mir mein Mann vor vielen Jahren geschenkt hat und die quasi meine eigene Sammlung begründet haben, das muss ich unbedingt wieder einmal lesen. Zumeist handelt es sich um Engländer, die im 19. Jahrhundert von Kew Gardens in die ganze Welt geschickt wurden, um im tiefsten Dschungel oder auf den höchsten Bergen nach neuen Sensationen für die gartenbesessenen Lords und Ladies zu suchen. Damals waren exotische Bäume und Sträucher prestigeträchtige Statussymbole, die auch gerne etwas kosten durften, jede Investition in Pflanzenexpeditionen rentierte sich also bald. Es ist erstaunlich und erschreckend, welche Strapazen und Gefahren diese Männer auf sich genommen haben, um neue Bäume, Sträucher und Blumen nach Hause schicken zu können. Welch Aufwand nötig war, um Samen und Setzlinge gut versorgt auf die lange Reise nach England zu schicken, wieviele es dann doch nicht überlebt haben, sei es, dass ein Schiff im Sturm gekentert ist, Piraten die kostbare Fracht achtlos über Bord geworfen haben oder die Pflanzen vertrocknet oder verfault angekommen sind. Nebenbei haben diese Pioniere endlose Verhandlungen mit örtlichen Behörden und Häuptlingen geführt, Träger und Köche bei Laune gehalten, umfangreiche Tagebücher geführt und botanische Kataloge erstellt. Obwohl sie oft ernstlich verletzt oder von schlimmen Krankheiten heimgesucht wurden, fuhren sie immer wieder los, etliche bis sie irgendwo umgekommen sind. Sieht man sich die Liste der Pflanzen an, die damals entdeckt und weitergezüchtet wurden, sind verblüffend banale Gewächse dabei, die man heute in jedem Baumarkt um wenig Geld kaufen kann. Rhododendren, Thujen, Weigelien, Duftschneeball, Weißtanne, Blutjohannisbeere, Phalaenopsis, Lilien und Herbstanemonen sind für uns längst keine Exoten mehr und niemand denkt daran, dass einst wagemutige Männer dafür ihr Leben gelassen haben.
Na seht ihr, da habe ich mich schon wieder festgelesen in ein Thema. Als nächstes nehme ich mir das Wildpflanzen-Topfbuch vor, vielleicht finde ich eine Anregung für nächstes Jahr. Ein paar leere Töpfe habe ich ja noch in petto und schließlich kann man Wildpflanzen überall hinquetschen. Und das Buch über die Insekten muss ich noch einmal durchblättern, das hat mich beim ersten Lesen sehr fasziniert. Und die Bauerngartenbücher, ich bin mit meinen Blumenbeeten immer noch nicht restlos zufrieden. In den Pflanzenbeschreibungen eines Mönchs aus dem 16. Jahrhundert könnte ich auch wieder schmökern. Die zugeschriebenen Wirkungen und Anwendungsgebiete der Blumen und Kräuter sind aus heutiger Sicht manchmal abenteuerlich bis komisch, vieles ist aber mittlerweile durch die moderne Wissenschaft bewiesen. Schließlich könnte ich mich in englische Gärten hineinträumen. Fad wird mir nicht werden.
Bei meiner kleinen Bibliothek wird es schon schwierig, neuen Lesestoff zu finden. Erst neulich stand ich in einer großen Buchhandlung vor einem großen Themenregal und fand nichts Interessantes. Die Hälfte fällt unter die Kategorie „eh schon wissen“: Stauden für Anfänger, wie legt man ein Blumenbeet an, die besten Bodendecker im Schatten – da ist nichts für mich dabei. Einige Bücher versprechen mehr als sie halten können: Schneckenfrei ohne Chemie (ha!), Selbstversorgung mit Gemüse (ja, wenn man 1000 m² zur Verfügung hat), Traumgarten durch Upcycling (wetten, dass Eisenbahnschwellen und alte Fenster für den Bau von Wegen und Frühbeeten benötigt werden – liegen ja überall herum). Am skurrilsten sind die Ratgeber für blühende Gärten rund ums Jahr, ohne dass man dafür einen Finger krumm machen müsste. Ihr Ahnungslosen, vergesst den Liegestuhl, das wird nix!
Simple Informationen über Pflanzen kann ich im Internet jederzeit finden. Was mich begeistert, sind Bücher, die mir neue Perspektiven eröffnen, die mir zeigen, wie die botanische Welt funktioniert, die mich auf Zusammenhänge hinweisen, an die ich nie denken würde. Ich will verstehen, was in meinem kleinen Paradies vor sich geht. Ich will ökologisch handeln und unbewusste Fehler nach Möglichkeit vermeiden. Ich will lernen. Hallo Christkind, hast du aufgepasst?
Eure Flora