Der Sumpf
Es begann alles so schön…
Ich stolperte vor fünf Jahren im Keller über meine alte Hydrokulturwanne und stellte wieder einmal fest, dass sie furchtbar im Weg stand, zum Entsorgen aber zu schade war. Schon war die Idee geboren, die Wanne im Garten aufzustellen. Aber wie krieg ich da unten Löcher rein, ohne das gute Stück zu ruinieren? Wahrscheinlich gar nicht. Es war die Zeit, in der ich meine Miniteiche anlegte und mich viel mit Wasserpflanzen beschäftigte. Da war mir so manche begehrenswerte Sumpfpflanze untergekommen, die ich mangels Teichrand nicht setzen konnte. Wie einst bei Wickie leuchteten plötzlich die Sterne um meinen Kopf: Ich bau mir einen Sumpf!
Die erste Schwierigkeit war die Erde. Teicherde soll nährstoffarm sein, aber was wollen Sumpfpflanzen? Im Internet fand ich dazu wenig bis gar nichts. Irgendwo las ich dann, dass die Erde im Sumpf aus Pflanzenresten besteht, die sich im Schlamm zersetzen. Klingt nicht so nährstoffarm, oder? Bei der Größe der Wanne (etwa 120 x 40 cm, 40 cm hoch) war ich schlichtweg zu geizig, sie mit gekaufter Erde aufzufüllen, also schaufelte ich sämtliche Erdreste im Garten zusammen, die ich fand. Da war noch ein bisschen Rasenerde über, ein halbes Sackerl Teicherde, abgeschüttelte Blumenerde vom Vorjahr (die ich, wenn sie nicht zu stark durchwurzelt ist, immer aufhebe und aufgedüngt weiterverwende). Was noch fehlte, füllte ich mit Kompost und einigen Schaufeln Gartenerde auf. Problem gelöst.
Nach sorgfältigem Abwägen entschied ich mich für acht Pflanzen: Sumpfiris, Kuckuckslichtnelke, Gauklerblume, Pfennigkraut, Zwergschachtelhalm, Fieberklee, Bunter Wasserfenchel und Spaltgriffel. Letzteren steuerte Christian bei, weil ihm das Bild mit der roten Blüte so gut gefallen hatte. Und wenn mein Mann schon einmal einen Wunsch im Garten hat… Es sah sehr übersichtlich im Trog aus, fast schon zu ordentlich für meinen Geschmack:

Anfangs hielten sich die Pflanzen brav an die vorgegebene Platzierung. Die ersten Blüten zeigten sich und ich träumte von den perfekten Hochglanzbildern aus den Gartenzeitschriften. Doch dann kam alles anders. Der hübsche panaschierte Wasserfenchel geriet außer Rand und Band und durchwucherte den gesamten Trog. Es fiel ihm zwar nicht ein, dass er blühen könnte, aber er übernahm gnadenlos das Kommando und erstickte alles rundherum. Die Gauklerblume gab als erstes auf. Schweren Herzens rupfte und stach ich seine bunten Blätter aus, wo immer sie auftauchten. Sie tauchen nach fünf Jahren immer noch auf. Auch der Ackerschachtelhalm blieb nicht, wo ich ihn hingesetzt hatte. Seine Nadeln stechen in der ganzen Wanne hervor, sind aber bei weitem nicht so dominant, also dürfen sie bleiben. Sumpf ist doch Natur, oder?
Die Kuckuckslichtnelke versamt sich fröhlich in die ganze Umgebung. In den Chilitöpfen, im Kräuterbeet, sogar zwischen den Storchschnäbeln tauchen ihre Sämlinge auf. Ich steche sie sorgfältig aus und setze sie in meine Blumenwiese, wo sie bereits ein stattliches Kontingent bilden. Fieberklee und Spaltgriffel dümpelten vor sich hin, verschwanden zwar nicht wie die Gauklerblume, sahen aber wie kurz vorm Ableben aus.
Überrascht war ich, als nach einem Jahr eine neue Pflanze im Sumpf auftauchte: ein hübscher kleiner grasartiger Polster, der bald Blüten ansetzte. Zu spät bemerkte ich, dass es sich um eine aggressive Hirse handelt, die sich in der feuchten Umgebung pudelwohl fühlte und keinesfalls vorhatte, diesen Platz wieder zu räumen. Im Gegenteil. Ich schnitt die (übrigens sehr dekorativ) blühenden Halme ab, bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnten und beließ den Grasigel an seiner Stelle. Sumpf ist doch Natur, oder?
Die Natur nahm überhand. Ehrlich gesagt verlor ich ein wenig das Interesse an dem Sumpf, der so gar nicht ausschauen wollte, wie ich es geplant hatte. Sumpfiris und Kuckuckslilie behaupteten sich trotzig in dem Gewirr, das ich letzten Sommer nicht einmal mehr mit Wasser versorgte. Nach drei Jahren schwang sich der Spaltgriffel zu einer Blüte auf, aber nicht wie vorhergesagt im Juli, sondern im späten November und auch nicht rot, sondern zartrosa. Mittlerweile ist er in die ewigen Sumpfgründe eingegangen.
Dann aber: Letzten Sommer blühte zum ersten Mal, völlig unerwartet, der Fieberklee. Seine fransigen, wie überzuckerten Blüten waren so reizend, dass sich sofort mein schlechtes Gewissen meldete. Ich beschloss, den Trog im nächsten Frühjahr, also heuer zu leeren, das ganze angesammelte Unkraut zu beseitigen und nur die gewollten Teile herauszuzupfen und neu einzusetzen. Nach der Neuanlage des Feuerdornbeets fehlte mir aber jede Motivation für weitere Kraftakte und ich gab mich mit einem Kompromiss zufrieden. Ich schüttete als erstes drei Gießkannen Regenwasser in den Sumpf, operierte mit Christians Hilfe den Hirseigel aus dem Trog (unglaublich, wie sich der im Gatsch festklammerte!) und rupfte jeden weiteren Hirsehalm penibel aus. In das Loch werde ich demnächst Blutweiderich stopfen, auf eine erneute Fieberkleeblüte hoffen und an den Wucherern dranbleiben. Wegen des neuen Apfelbaums drehte ich den Trog um 90°, damit er mehr Sonne abbekommt.
Den Gedanken an die Zeitschriftenbilder habe ich aufgegeben. Ist doch viel spannender, das Kommen und Gehen zu betrachten, sich über unerwartete Gäste zu freuen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Sumpf ist doch Natur, oder?
Eure Flora