Kaiser und Samurai
Mit der Überschrift „Auf den Spuren von Kaisern und Samurai“ warb der Veranstalter für eine 13-tägige Reise nach China und Japan. So ein Blödsinn, da saust man ja nur durch und sieht gar nichts, dachte ich und blätterte weiter. Aber dann wurde ich doch neugierig und schaute mir das Programm genauer an. Chinesische Mauer, Verbotene Stadt, Kyoto, japanische Parks, Buddha-Tempel und quirlige Geschäftsstraßen, ein Spaziergang über den Bund in Shanghai… Für mich gab die Große Mauer den Ausschlag, für Christian die Verbotene Stadt. Wenn wir das in diesem Leben noch sehen wollen, dann aber bald. Der wirklich günstige Preis und das Zauberwort „Kirschblüte“ gaben uns den Rest und einen Tag später war die Reise gebucht. Neben meinem persönlichen Highlight, einmal im Leben auf der Großen Mauer zu stehen, freute ich mich besonders auf die fremden Gartenanlagen.
Peking ist erstaunlich grün, wobei mir der Reiseleiter erzählte, dass es vor zwanzig Jahren noch ganz anders ausgesehen hat. Doch erhebliche Probleme mit der Luftqualität und Staubentwicklung hätten ein Umdenken ausgelöst und so säumen heute viele Grünstreifen, Bäume und Blumentröge die Straßen. Eine der grünen Lungen der Hauptstadt ist der weitläufige Park um die Anlage des Himmelstempels. Zahlreiche alte Bäume, fast ausschließlich Thujen (also Lebensbäume) bilden mehrere Alleen und, da in China alles eine symbolische Bedeutung hat, eine Achse zwischen Himmel und Erde. Die schönste Parkanlage, die wir besuchen durften, ist beim Sommerpalast, den Kaiser Qianlong im 18. Jahrhundert als Geschenk für seine Mutter zum 60. Geburtstag errichten ließ (Kinder, aufgepasst! Zum 65er geht sich’s noch aus!). Ein künstlicher See beherrscht das Gelände. Damit die Mutter bei jedem Wetter Boot fahren konnte, wurde ein marmornes Schiff am Ufer gebaut.
Chinesische Gärten legen wenig Wert auf blühende Stauden. In erster Linie geht es darum, eine ideale Landschaft nachzubilden. Dazu gehören drei Elemente: Stein, (immergrüne) Bäume und Sträucher und Wasser. Der Stein symbolisiert das Gebirge. Wir haben in kaiserlichen Gärten wahre Felsen gesehen, die oft von weither transportiert wurden, meist besonders geformt oder mit bizarren Löchern. Das ist ein Gestaltungselement, von dem ich nur träumen kann, ich werde in meiner Umgebung keine freiwilligen Helfer finden, die mir bizarre Brocken in den Garten schleppen. Die Immergrünen verkörpern den Wald, oft sind es verschiedene Thujen oder Kiefern, die ein Glückssymbol für die Ewigkeit und langes Leben sind. Überhaupt hat jeder Baum eine bestimmte Bedeutung und wird bewusst gepflanzt. Der schnell wachsende Bambus steht für Wohlstand und Fortschritt, der Pfirsichbaum bedeutet Unsterblichkeit. Ein Apfelbaum ist Symbol für den Frühling und die Schönheit der Frauen. Jetzt weiß ich, warum ich unbedingt einen wollte.
In Japan hatten wir ziemliches Pech mit dem Wetter. Der Park des Meiji-Schreins in Tokio ist sicher sehenswert. Aus ganz Japan wurden rund 100.000 Bäume gespendet, darunter kostbare seltene Exemplare. Doch bei strömendem Regen liefen wir nur mit eingezogenem Kopf durch.

Die nächste imposante Grünanlage wartete bei der Burg von Osaka. Auch hier hatten wir „flüssigen Sonnenschein“, wie es unser Reiseleiter euphemistisch ausdrückte, aber es war Gott sei Dank nur ein leichter Nieselregen. Die Alleen rund um die Burg sind während der Kirschblüte ein beliebtes Ausflugsziel für Picknick. In Japan blühen die Bäume überwiegend weiß. Ich war überrascht, sind bei uns „Japanische Zierkirschen“ doch durchwegs rosa. Die Kirschblüte steht in Japan sowohl für das Leben als auch für den Tod. Sie symbolisiert den Frühling, das Leben schlechthin. Doch ihre Kurzlebigkeit erinnert auch an die Vergänglichkeit. Der Beginn der Kirschblüte wird regionsweise offiziell im Radio verkündet, etwa eine Woche später ist die Vollblüte zu erwarten und nach zwei bis drei Wochen hat die Pracht ihr Ende. Daher nehmen die Japaner keine Rücksicht auf das Wetter, sie veranstalten ihre glücksverheißenden Picknicks einfach mit Regenschirm.
Kyoto begrüßte uns am nächsten Tag mit Sonnenschein. Beglückt wanderten wir durch den Fushimi Inari-Schrein mit seinen tausenden Tori-Toren und spazierten anschließend durch das malerische Gion-Viertel.
Mit tausenden anderen natürlich. Sowohl in China als auch in Japan hatten wir das Gefühl, uns auf einem Dauerfestival zu befinden, so viele Menschen waren ständig um uns herum. Europäische und amerikanische Touristen sind dabei in der Unterzahl, vor allem chinesische Reisegruppen bevölkern die Sehenswürdigkeiten. In dem Gedränge war es nicht leicht, in der Gruppe zu bleiben, schließlich sind wir ja nicht hingefahren, um einem Fähnchen nachzulaufen, sondern um uns alles anzuschauen und einzuprägen. Prompt ging mein Mann filmenderweise verloren (er war aber nicht der einzige), versuchte sich alleine zum Bus durchzuschlagen, verirrte sich in dem Straßengewirr… Die Sache ging gut aus und er hatte einen netten Fischverkäufer und ein paar hilfsbereite Polizisten kennengelernt.
Zurück zu den Gärten. Es wartete der nächste Regenguss auf uns, justament als wir beim Goldenen Pavillon Kinkakuji aus dem Bus stiegen. Missmutig stapften wir durch den Wolkenbruch, als plötzlich die Sonne durchbrach – und wow! Das Foto kann den überwältigenden Eindruck nur schwach wiedergeben. Trotz der vielen Besucher schien eine himmlische Ruhe über dem Park zu liegen. Augenblick, verweile doch, du bist so schön!

Es war der schönste Tag in Japan, Kyoto scheint nur aus Postkartenansichten zu bestehen. Noch eine schöne Parkanlage mit einem buddhistischen Tempel (Tenryu-ji) wartete auf uns, in dem uns vor allem die Farbenpracht blühender Bäume und Sträucher begeisterte. Im anschließenden Bambuswald verrenkten wir uns die Köpfe zu den mindestens 10 m hohen Giganten.
Nara, die älteste Hauptstadt des japanischen Reiches, stand am nächsten Tag auf dem Programm. Hier werden uns vor allem die zahmen Hirsche im Gedächtnis bleiben, die die Tempelanlagen durchstreifen und – no na – von den Besuchern Futter erwarten. In Todai-ji konnte ich mich an dem Farbenspiel der Vorfläche nicht sattsehen (vom Riesenbuddha einmal abgesehen), der Kasuga Taisha trägt zu Recht den Beinamen „Tempel der 1000 Laternen“.
Wir kehrten nach China zurück. Der rührige chinesische Begleiter überredete uns nach einem langen, ermüdenden Reisetag („Was habt ihr heute gemacht, nur Flugzeug gesessen?“) zu einer Lichterfahrt durch das nächtliche Shanghai. Wir waren allesamt zu erschöpft, um Widerstand zu leisten, aber die Erschöpfung verflog im Nu. Ein Märchen aus 1001 Nacht erwartete uns auf dem Bund (der berühmten Uferpromenade von Shanghai). Mit diesem letzten Bild verabschiede ich mich für heute.
Eure Flora
PS: Freilich gäbe es noch viel zu erzählen, viel zu zeigen. Aber erstens ist das ein Garten- und kein Reiseblog und zweitens muss ich jetzt in meinen Garten sausen, um all die Arbeit nachzuholen, die vor China liegengeblieben ist. Falls ich euch den Mund wässrig gemacht habe, ist das gut so, denn beide Länder sind absolut eine Reise wert.