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Rückschnitt

Es gibt einen Tag im Jahr, an dem ich meine Leidenschaft für Stauden bereue, und das ist der 1. März. An diesem Tag steht nämlich in meinem Kalender eine ziemlich lange To-do-Liste, was ich alles nach dem Winter abschneiden, jäten und düngen muss.

Stauden machen kaum Arbeit, wird in allen Gartenzeitschriften, Ratgebern und Internetforen gepredigt. Die meiste Zeit des Jahres stimmt das ja auch. Gießen, Verblühtes abschneiden, so schlimm ist das wirklich nicht. Aber Jahr für Jahr wird es aufwendiger, im zeitigen Frühjahr die dürren Stängel zu kappen, für den Kompost kleinzuschneiden oder wegzuschleppen, wenn es sich um Stacheliges oder gar zu Holziges handelt. Denn meine Beete und damit meine Stauden werden ständig mehr und ich werde auch nicht jünger.

Heuer kommt erschwerend Zeitdruck hinzu, denn zunächst musste ich in mühevoller Arbeit das Feuerdornbeet für die neue Bepflanzung vorbereiten (siehe „Der nächste Kraftakt„) und schon in zwei Wochen fliegen wir nach Japan (siehe „Kirschblüte„). Eile ist ja immer geboten, sobald der neue Austrieb begonnen hat, denn wenn sich Dürres und frisches Grün vermischen, wird es eine arge Fitzelei. Daher habe ich kurzerhand beschlossen, das Jäten und Düngen auf den April zu verschieben und vor der großen Reise nur alles abzuschneiden. Ausnahmsweise schnappte sich sogar mein Mann eine Schere und schnippelte Fackellilien und Chinaschilf klein. Ohne seine Hilfe wäre ich vor dem großen Regen nicht fertig geworden. Aber jetzt ist der Komposthaufen gefüllt, alles entsorgt und zumindest die Rosen sind gedüngt. „The Pilgrim“, meine geliebte englische Strauchrose, musste diesmal einen gewaltigen Kahlschlag hinnehmen. Von dem gewaltigen 2-Meter-Busch sind 5 kümmerliche Stecken übriggeblieben. Die alten Äste habe ich bis auf zwei dem Erdboden gleich gemacht. Ich kann nur hoffen, dass diese radikale Maßnahme den Sternrußtau in Schach halten wird. Eigentlich habe ich schon meinen Sohn gefragt, ob er mir beim Roden hilft, aber ich bringe es doch nicht übers Herz.

So sehr ich meinen Rücken beleidige, wenn ich stundenlang in den Beeten kauere – ich muss zugeben, dass mir diese erste Arbeit im Garten auch ein bisschen Spaß macht. Das Wiedersehen mit all meinen Freunden, und wenn sie noch so winzig sind, hebt meine Laune schlagartig. Jedes grüne Zipfelchen, das aus der Erde lugt, wird quasi mit Handschlag begrüßt. Da schau, die Buschwindröschen sind ja doch da, ich hatte sie schon aufgegeben! Und das Brandkraut, das ich erst vorigen Herbst gepflanzt habe, treibt bereits ordentlich durch. Da sind neue Blättchen, könnte das schon der frisch gesäte grau-blaue Mohn sein? Wie Mohnblätter sieht es ja aus, aber doch ein wenig anders als der rote Klatschmohn. Der Storchschnabel „Elke“ hat sich ganz schön ausgebreitet, obwohl… sicherheitshalber befrage ich meine LieblingsApp, denn die Blätter schauen schon ein bisschen komisch aus. Überraschung! Es handelt sich um – Feldrittersporn. Der Feldrittersporn, über den ich mich voriges Jahr so geärgert habe, weil der Samen nicht und nicht aufgegangen ist. Willkommen, du Spätzünder! Der Mehlsalbei hat ein paar neue Spitzen, obwohl ich ihm keinen Winterschutz verpasst habe – na bitte, geht doch auch so.

Ein paar Sorgenkinder bleiben immer. Was sich noch gar nicht blicken lässt, habe ich nicht zurückgeschnitten, damit ich es leichter wiederfinde: Amsonia und Bleiwurz gehören dazu. Schmerzlich vermisse ich die winterharten Agapanthen, die komplett von der Bildfläche verschwunden sind. Wie immer habe ich mir den genauen Standort nicht gemerkt und so beäuge ich hoffnungsvoll jedes Spitzchen im Bauerngarten. Das kühle Schlechtwetter wird das Wachstum zwar ausbremsen, andererseits bekommen Samen und Austrieb endlich genügend Feuchtigkeit. Ich werde mich schon bis Ostern gedulden müssen, um eine endgültige Bilanz über aufgetauchte und verschwundene Freunde ziehen zu können. In den nächsten Wochen werde ich so viel Anderes im Kopf haben als meine Pflänzchen, ich habe gar keine Zeit, ungeduldig zu werden. Und das ist gut so.

Eure Flora

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