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Meine LieblingsApp

Dass ich von der digital native-Generation weit entfernt bin, sehe ich in den Gesichtern meiner Kinder, wenn ich sie wegen eines Handyproblems um Hilfe bitte. Ein Wisch, ein Wusch, und die Einstellungen sind wieder so wie es sich gehört. Einen Kommentar verkneifen sie sich, weil sie gut erzogen sind, aber dem mitleidigen Blick entkomme ich nicht. Die meisten Apps, die ich probeweise auf mein Handy hole, deinstalliere ich bald wieder, weil ich schnell dahinterkomme, dass ich sie nicht brauche. Was nicht mehr auf die Startseite passt, ist für mich zu viel, unübersichtlich und unnötig. Mit einem Wort: Ich bin ein digitaler Dinosaurier, der lieber in Bücher oder auf Landkarten schaut als auf das Smartphone.

Manchmal aber entdecke ich eine richtig gute Sache, die mir tatsächlich das Leben erleichtert. Eine davon ist die App Flora incognita, die mir richtig ans Herz gewachsen ist. Früher war ich mit einem Pflanzenbestimmungsbuch unterwegs (siehe „Die Berge und ich„), heute zücke ich das Handy. Ein Klick, ein Foto, kurzes Nachdenken der App und schon weiß ich, welchen Schatz ich da gefunden habe. Manchmal ist das Ergebnis überraschend. Letzte Woche waren wir im schönen Pöllauer Tal und ich sah im Wald eine Pflanze, die ich mit ziemlicher Sicherheit für eine Wolfsmilch hielt. Eigentlich nur zur Bestätigung machte ich ein Foto und siehe da! Keine Wolfsmilch, es handelte sich um ein Wechselblättriges Milzkraut. Aha, noch nie gehört. Dass die hübschen weißen Blüten keine Buschwindröschen waren, obwohl sie wirklich sehr ähnlich aussehen, war mir schon aufgrund der gelbgrünen Blätter klar, doch auf Wald-Sauerklee wäre ich nicht gekommen. Beim Spaziergang um den Stubenbergsee fand ich eine Weiße Pestwurz und freute mich. Meine Beobachtungen werden in der App gespeichert, wobei Datum und Fundort verzeichnet sind. Immer wieder blättere ich die gesichteten Pflanzen durch und lerne dazu.

Doch nicht nur in freier Wildbahn ist die App nützlich, auch im Garten leistet sie mir gute Dienste. Nämlich immer dann, wenn ich mir wieder einmal vergessen habe, was ich wo gepflanzt habe. Also ständig. Beim Unkraut jäten ist sie stets dabei, damit ich nicht aus Versehen ein sehnsüchtig erwartetes oder längst vergessenes Etwas ausrupfe. Verdächtige Büschel, die ich früher sorglos entfernt habe, nehme ich inzwischen genauer in Augenschein. Natürlich plagt sich die App mit den Austrieben im Anfangsstadium mehr, rotiert länger, verlangt noch ein Foto und noch ein drittes. Die Ergebnisgenauigkeit ist meist geringer, statt 99%iger Sicherheit sind es manchmal nur 60 oder 70 %. Da mir aber bei dem vorgeschlagenen Pflanzennamen dann wieder einfällt, dass ich so etwas Ähnliches eingegraben habe, reicht mir das. Ein Foto der blühenden Pflanze wird sofort angezeigt, da ist dann so manches „ach, DAS ist das“ dabei. So weiß ich unter anderem jetzt, dass das lästige Unkraut in meinen Beeten mit so wohlklingenden Namen wie Durchwachsenblättriges Kleintäschelkraut, Efeublättriger Ehrenpreis oder Viermänniges Schaumkraut aufwartet. 

Doch keine Wolfsmilch

Am meisten zum Einsatz kommt Flora incognita in der Blumenwiese, wo ich gespannt Ausschau halte, ob die eingesäten Wildblumen keimen. Jedes winzige Blättchen, das ich nicht sogleich als Gänseblümchen oder Berufkraut identifizieren kann, wird mit der App überprüft. Was für ein Triumph, als endlich der Wiesensalbei auftauchte! Die ersehnten Margeriten und Ackerwitwenblumen hat die App vergangenen Sommer gesichtet, hoffentlich blühen sie heuer. Nur bei den Königskerzen hat sie letztes Jahr arg danebengehauen. Sie versuchte mir einzureden, dass die samtigen Blätter Wollziest seien, aber das habe ich ihr von Anfang an nicht geglaubt. Wo sollte denn der herkommen? Vor zwei Wochen hat sie ihre Meinung geändert: Jetzt sind es plötzlich Königskerzen. Na also, warum nicht gleich?

Da bin ich mir doch tatsächlich selber untreu geworden. Weil es mit dem Handy so viel einfacher und schneller geht, verstaubt das gute alte Pflanzenbestimmungsbuch im Regal. Es ist so wie mit dem Navi im Auto. Kaum hat man sich daran gewöhnt, verliert man die einstigen Fähigkeiten und wird ohne die digitale Unterstützung hilflos. Ist das nun begrüßenswerter Fortschritt oder bedauernswerte Abhängigkeit? Ich werde das Buch heuer mit in den Garten nehmen und zum Spaß versuchen, ein paar Blüten zu bestimmen. Schauen wir einmal, ob ich’s noch kann. Ich kann ja dann in der App nachschauen, ob ich richtig liege.

Eure Flora

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