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Mit fremden Augen

Vor einer Woche kam Victoria B. in meinen Garten. Während ihr Freund und mein Sohn die Sichtschutzwand im Feuerdornbeet aufstellten, weihten wir für diese Saison die Gartenliegen ein. Ich plaudere gerne mit ihr, sie ist eine bemerkenswerte junge Frau mit vielseitigen Interessen, eines davon haben wir gemeinsam. Sie fotografiert hobbymäßig und probiert sich gerne kreativ aus – sei es mit Licht, Perspektive oder neuen Motiven. Ohne ihre Kamera geht sie kaum aus dem Haus., das ist ihr viel zu riskant. Sie könnte ja plötzlich, wie sie mir einmal sagte „das ultimative Foto sehen“ und dann hätte sie die Kamera nicht mit! Neidlos muss ich anerkennen, dass sie viel bessere Fotos macht als ich. Ich bewundere besonders ihre schrägen Blickwinkel von originellen Standpunkten. Irgendwann fragte sie mich, ob sie meinen Garten fotografieren dürfe. Was heißt da, dürfe? Ich war begeistert von der Aussicht auf tolle Fotos und ließ ihr völlig freie Hand. Schon war sie unterwegs und kniete, kauerte und lag in meinem Garten. Hin und wieder fragte sie nach einer Pflanze.

Ich freue mich immer, wenn ich zu meinem Garten Feedback bekomme. Mir ist schon klar, dass mein Stil nicht jedem gefällt. Vielleicht sind es für den einen oder anderen zu viele klein-klein Beete, vielleicht ist es zu bunt, zu wenig klares Konzept. Manch einer könnte meinen Garten als „Gstätt’n“ sehen, weil der Efeu meine Sträucher umwuchern darf und das Laub vom letzten Winter noch unter den Haselnüssen liegt. Ich bemühe mich, meine Leidenschaft für Natur und Pflanzen niemandem aufzuzwingen, und kann auch damit leben, wenn ein Gast an meinem blühenden Paradies nicht interessiert ist. Umso mehr freue ich mich über positive Rückmeldungen oder auch nur einfach über jede Frage, warum ich etwas so und nicht anders angelegt habe. Schließlich denke ich mir eine Menge bei meinen Pflanzungen, auch wenn die sich später selbständig machen und anders entwickeln als ich es geplant habe. So bleibt es spannend.

Spannend war es gestern auch, die Fotos anzuschauen. Obwohl ich jeden Quadratzentimeter in meinem Garten in- und auswendig kenne, schaffte es Victoria doch, mich mit einigen Aufnahmen zu verblüffen. Von wo hat sie das denn gemacht? Manches habe ich noch nie so gesehen. Sie schrieb mir dazu: „Es ist schön zu hören, dass du deinen Garten duch die Fotos nochmal anders wahrnimmst – genau das wollte ich erreichen. Ich habe versucht, mit Licht zu spielen und das, was du mir über manche Pflanzen erzählt hast, in die Bilder einfließen zu lassen. Also nicht einfach nur abdrücken, sondern auch hinhören und schauen, was den Garten für dich besonders macht.“

Ausnahmsweise bin ich sprachlos und habe dem nichts hinzuzufügen.

Eure Flora

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