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Die Gartenliege

Kennt ihr diese Wellnessliegen aus den Thermen, diese ergonomisch geformten Kippliegen, in die man ermattet hineinsinkt, herrlich schläft und am liebsten nie wieder aufstehen möchte? Genauso eine schwebte mir vor, als ich mir zu meinem 55. Geburtstag von unseren Freunden eine neue Liege wünschte. Sie legten zusammen und ich bekam einen 150 Euro-Gutschein von einem bekannten Möbelhaus mit Gartenabteilung. Am nächsten Werktag sauste ich mit meinem Gutschein in das Geschäft und suchte das Angebot durch. Mein Gesicht wurde immer länger, denn meine Traumliege war nicht dabei. Nur ganz billige Kippliegen mit der Sitzfläche knapp über dem Boden und die üblichen Sonnenliegen in verschiedenen Preisklassen, aber nichts, was meiner Vorstellung entsprach. Enttäuscht zog ich mit meinem Gutschein wieder ab.

Ein paar Tage später fuhr ich bei einem Gartenmöbelhersteller im 23. Bezirk vorbei, sehr exklusiv, sehr gediegen, aber schauen kann man ja einmal. Kaum hatte ich den Schauraum betreten, sah ich SIE. Entspannung pur in Kornblumenblau, schon bevor ich mich hineingesetzt hatte, wusste ich: Die oder keine. Eine nette Verkäuferin erzählte mir, dass die Liege nicht nur ergonomisch geformt sei, sondern auch kardiologisch empfohlen, weil die Beine höher als das Herz zu liegen kommen, was die Durchblutung fördert… Ich unterbrach sie, sie müsse mich nicht überzeugen, ich sei schon zum Kauf entschlossen, und fragte so nebenbei nach dem Preis. 600 Euro??!!! Ich kam mir vor wie in einem Zeichentrickfilm, wenn das Objekt der Begierde wie eine Seifenblase in tausend Teile zerplatzt. Kleinlaut verließ ich das Geschäft.

Die Liege ging mir nicht aus dem Kopf und ich schleppte meinen Mann als Entscheidungshilfe in den Schauraum. Er verguckte sich auf der Stelle in die Nachbarliege, mit einer festeren Bespannung und dafür gleich um 100 Euro teurer. „Schau“, meinte er zu Hause, „wenn die Liegen in den Thermen 10 Jahre halten (tatsächlich stattet die Firma Thermen aus), hält deine 20 Jahre. Das wären dann 30 Euro im Jahr, das wirst du doch haben.“ So gesehen war die Liege gar nicht so teuer und ich pilgerte zum dritten Mal in den Schauraum. Weil die Verkäuferin so nett war, erzählte ich ihr von meinem Gutschein-Dilemma und sie lächelte verschmitzt. „Die bestellen doch auch bei uns, nur auf Lager haben sie unsere Sachen nicht. Gehen Sie ruhig Ihren Gutschein einlösen.“ Sie gab mir einen Katalog mit, in dem sie die beiden Liegen anzeichnete, und ich war meinem Traum 150 Euro näher.

Und dann passierte das Wunder. Justament als ich von dieser Unterhaltung in den Garten fuhr, hörte ich im Autoradio eine Werbung von ebendem Möbelhaus. Irgendeine Fililiale feierte irgendeinen Geburtstag und aus diesem Grund gab es am nächsten Montag, aber nur an diesem Tag, 30 Prozent auf alles. Ich quietschte mich sofort im nächsten Parkplatz ein und rief bei dem Möbelhaus an. „Gilt das auch für Katalogbestellungen?“ „Ja, selbstverständlich, aber nur am nächsten Montag.“ Am nächsten Montag hätte uns nur ein Hurrikan davon abgehalten, das Möbelhaus nach der Arbeit aufzusuchen, und wahrscheinlich nicht einmal der.

Wir trafen einen stammelnden jungen Mann an, der bedauerte, von Katalogbestellungen hätte er keine Ahnung, die Kollegin sei außer Haus bei einem Kunden und werde an diesem Tag auch nicht mehr zurückerwartet, wir mögen doch so nett sein, am nächsten Tag wiederzukommen… Weiter kam er nicht, wir riefen nach dem Geschäftsführer. Auch der versuchte uns abzuwimmeln, aber nicht mit uns. Wir wurden laut. Am Ende rief der Geschäftsführer seine Mitarbeiterin an und beorderte sie nach ihrem Kundengespräch zurück in die Filiale. Um uns schleunigst loszuwerden, drückte er uns für die Wartezeit einen Gutschein für Kaffee und Kuchen im hauseigenen Restaurant in die Hand. Ich befürchtete, dass die Verkäuferin ziemlich „ang’fressen“ sein würde. War sie auch, aber glücklicherweise nicht auf uns, sondern auf ihren unfähigen jungen Kollegen, umso mehr als sie feststellte, dass wir mit den exakten Bestellnummern gekommen waren. Dass wir uns geweigert hatten, unverrichteter Dinge zu gehen, verstand sie sehr gut, immerhin machte der Rabatt rund 400 Euro aus.

Schön wie am ersten Tag!

Vier Wochen später holten wir selig unsere Liegen ab. Wir hüten sie wie unsere Augäpfel, nur ausgesuchte Gäste dürfen darin Platz nehmen. Zu seinem Leidwesen gehört unser Sohn nicht dazu, seine Kindheit und Jugend haben uns gelehrt, dass er ALLES zerstört, von Glasfiguren bis Lattenroste, von Zirkeln bis Schreibtischsessel. Im Winter stehen die Liegen selbstverständlich im Haus. Die Qualität ist wirklich sensationell, nach mehr als sechs Jahren ist weder die Farbe ausgebleicht noch hat die Spannung nachgelassen. Das Alu-Gestell sieht aus wie neu und das Gewebe ist so angenehm, dass man ohne Handtuch liegen kann ohne zu schwitzen. Nach getaner Gartenarbeit hört der Rücken nach wenigen Minuten auf zu schmerzen und in besonders heißen Nächten hat Christian schon auf seiner Liege im Freien geschlafen (bevor der Fuchs auftauchte, siehe „Einbrecher„).

Heuer habe ich mir von meinem Treuegeld zur Pensionierung eine zweite Liege gekauft, diesmal in honiggelb. Es ist mir einfach zu blöd geworden, die Liege ständig zwischen der Wiese und meinem Liegeplatz hin und her zu schleppen. Bei dem Preis von mittlerweile 800 Euro habe ich nicht einmal mehr mit der Wimper gezuckt, schließlich handelt es sich um den Rolls-Royce unter den Gartenliegen. Auf Wunsch gebe ich die Adresse gerne weiter.

Eure Flora

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