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Oh Schreck!

In den letzten zehn Tagen hat mich ausnahmsweise nicht die Frage beschäftigt, wohin ich einen Blasenstrauch pflanzen könnte. Oder wie ich die Algen im Brunnen loswerde. Oder ob ich noch einmal den blauen Hokkaido probieren soll, der uns voriges Jahr so gar nicht geschmeckt hat. Vielmehr beschäftigte mich die bange Frage, ob ich meinen Garten weiter betreuen kann.

Es begann mit dem Ausräumen des Hauses am 11. April. A., der Freund meiner Tochter, packte tüchtig an, schleppte Gartenmöbel und Kübelpflanzen an Ort und Stelle, aber ich wollte ihn nicht alleine arbeiten lassen und schleppte mit. Dass mir am nächsten Tag der Rücken weh tat, beunruhigte mich nicht weiter, das kommt öfters vor (siehe „Das Kreuz mit dem Kreuz„). Ich machte einfach weiter und brachte über Ostern in einer Gewaltaktion meine Beete auf Vordermann. Nach vier Tagen, die ich auf dem Schemel hockend verbracht hatte, waren die Schmerzen um einiges schlimmer. Immer noch nahm ich die Beschwerden nicht ernst, ein oder zwei Ruhetage würden das schon wieder einrenken.

Die stundenlangen Zugfahrten nach bzw. von Graz dürften mir den Rest gegeben haben (siehe „Sieh, das Gute liegt so nah!„). Plötzlich wachte ich mitten in der Nacht auf und bekam kaum Luft vor Schmerzen. Beim Aufstehen hätte ich schreien mögen, erst als ich eine halbe Stunde in der Wohnung hin- und hergegangen war, wurde es ein wenig leichter. Bandscheibenvorfall? Habe ich mir einen Wirbel angeknackst? Ist der Ischiasnerv eingeklemmt? Der Orthopäde sprach von einer Entzündung der untersten Facettengelenke infolge Überanstrengung, verpasste mir eine Spritze und eine stützende Bandage und schickte mich sicherheitshalber zum Röntgen. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ich solche Gelenke habe, geschweige denn, dass sie so höllisch wehtun können. Im Röntgenbefund standen hässliche Wörter wie „Spondylarthrose“ und „Sklerose“, die mich erschreckten. Gestern kam die beruhigende Erklärung des Spezialisten, dass es sich lediglich um altersbedingte Abnützungserscheinungen handelt, ein dramatischer Schaden ist auf den Bildern keinesfalls sichtbar. Schlagartig tut’s gleich weniger weh.

Trotz des glimpflichen Ausgangs ist mir der Schreck ordentlich in die Glieder gefahren. Abrupt und unerwartet wurde ich mit einer massiven Einschränkung meines Bewegungsapparates konfrontiert. Jedes Bücken war eine Qual, Hose und Socken anziehen konnte ich nur mit zusammengebissenen Zähnen, das Heben eines Wasserkrugs löste schon wildes Stechen im Rücken aus. Gartenarbeit? Keine Chance! Ich dachte verzweifelt an all die Bewegungen, die im Garten anfallen. Jätend in den Beeten kauern, unter die Büsche kriechen, auf die Leiter steigen, Erdsäcke transportieren, den Rasenmäher aus der Gerätehütte heben, Steine aufklauben, Verblühtes abschneiden, den Spaten in den harten Boden stechen, mit der Scheibtruhe kurven, den Kompost sieben, Blumenkübel verschieben, Gießkannen schleppen… Christian war keine große Hilfe, sieht er in der Unmöglichkeit, im Garten zu arbeiten, doch eher eine willkommene Ausrede als eine Katastrophe. Dass vor meinem geistigen Auge eine Wildnis auftauchte, in der meine Lieblinge von Disteln, Quecken und Wilden Möhren erstickt werden, tat er als übertrieben ab. Erst mit dem Vergleich, wenn er nicht mehr imstande wäre zu kochen, entlockte ich ihm ein wenig Verständnis. Wenigstens der Wettergott hatte ein Einsehen und machte mit ein paar regnerischen Tagen das erzwungene Nichtstun erträglicher.

Ich begann, über Alternativen nachzugrübeln. Am ehesten kann ich die Gießkannen weglassen, den Schlauch kann ich auch mit Rückenproblemen noch halten. Wenn ich die Beete öfters jäte, kann ich das vielleicht im Stehen tun und die kleinen Unkrautsämlinge einfach liegenlassen. Bei Erde und Dünger muss ich nicht immer den ganzen Sack hin- und hertragen, sondern kann eine kleinere Menge entnehmen und notfalls nachholen. Aber wie ich es auch drehe und wende, die meiste Arbeit spielt sich in gebückter Haltung ab und sie muss von mir gemacht werden. Bei der Vielzahl meiner Pflanzen, bei meinem Mix aus geplanter Gestaltung und der Natur ihren Lauf lassen könnte nur schwerlich eine andere Person einspringen (wobei mir ohnehin keine einfällt). Also wenn ICH meinen Garten nicht mehr versorgen kann, muss ich über eine Umgestaltung nachdenken.

Zum Glück ist es noch nicht so weit. Die Schmerzen haben sich bereits deutlich verringert, die Panik, meinen Garten aufgeben zu müssen, klingt langsam ab. Von weiteren Projekten werde ich für heuer Abstand nehmen, die Anlage des Feuerdornbeets war anstrengend genug. Ich werde in den nächsten Wochen ein wenig kürzer treten, nicht jedem Unkraut hinterherjagen, bei schweren Arbeiten rechtzeitig um Hilfe bitten. Mit mir selber ebenso achtsam sein wie mit meinen Pflanzen. Kopf hoch, das wird schon wieder.

Eure Flora

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