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Das Kreuz mit dem Kreuz

Früher konnte ich stundenlang auf dem Boden kauern und Unkraut zupfen. Spürte ich ein Ziehen im Rücken, richtete ich mich kurz auf, streckte mich durch und machte weiter. Früher, das war vor dreißig Jahren. Wenn ich heute längere Zeit in gebückter Haltung verharre, kann ich nur verkrümmt zum nächsten Sessel humpeln. Dort braucht es dann eine Zeitlang, bis sich der 45°-Winkel meines Oberkörpers zu 90° verändert und ich wieder imstande bin, mich gerade anzulehnen. Von Durchstrecken kann bis auf weiteres keine Rede sein.

Hinzu kommt mein rechtes Knie, das mir zu langes Abwinkeln recht übel nimmt. Erst nach längerem Ausschütteln, Dehnen und Auf-und-Ab-Gehen hört es auf zu schmerzen. Von meinem Nacken und meinen Schultern will ich erst gar nicht anfangen, die sind dauerverspannt und entkrampfen sich bei der Gartenarbeit ganz bestimmt nicht.

So gesehen war es eine Schnapsidee, die Sonnenblumen vor der Eibenhecke wegen der Schneckengefahr vorzuziehen. Nicht nur, dass ich den 12 Meter langen Streifen erst herrichten, also vom Unkraut befreien und auflockern musste, das wäre ja in jedem Fall nötig gewesen. Statt aber danach einfach Samen in die Erde zu stecken und auf den angekündigten Regen und Schneckenkorn zu vertrauen, buddelte ich heute 19 Löcher im exakten Abstand von 50 cm, befreite sie von den Eibenwurzeln, setzte ein vorgezogenes Pflänzchen hinein und schaufelte sie wieder zu. Da das Fensterbrett kein idealer Platz für die Anzucht ist, hatte ich dünne Schlangen statt kräftiger Jungpflanzen, die sich sogleich auf dem Boden kringelten. Also band ich sie in einem zweiten Arbeitsgang an dünne Stäbchen, um sie nicht sofort den schleimigen Monstern in Augen- und Fresshöhe zu präsentieren. In einem dritten Arbeitsgang brachte ich reichlich Biofert um die Kümmerlinge aus, was einerseits ihr Wachstum pushen und andererseits die Schnecken in die Flucht schlagen soll. Das Eingießen erfolgte dann zwar in aufrechter Haltung, das Schöpfen aus der Regentonne und Schleppen der Gießkannen war aber auch nicht die rechte Therapie für meine verbogenen Lendenwirbel.

Ehrlich, ich verstehe mich selbst nicht. In allen Bereichen habe ich meinen Lebensstil meinem Alter angepasst. Meine Wanderungen plane ich nach den 250 Höhenmetern, die ich schaffe, Einladungen und Partys setze ich so an, dass ausreichend Ruhetage dazwischen liegen, die Wohnung putze ich nicht auf einmal, sondern zimmerweise pro Tag, ich achte auf meinen Blutdruck und creme mein Gesicht öfter ein als in jungen Jahren – nur bei der Gartenarbeit legt sich mein Verstand in die Sonne und grölt fröhlich „Forever young“.

Auch wenn mir alles weh tut, werde ich morgen in den Garten fahren und eine zweite Reihe Sonnenblumen pflanzen. Aua!

Eure Flora

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