Gastarbeit
Wir verbrachten die letzten Tage wieder einmal bei unseren Freunden in der Südsteiermark (siehe „Ein Hauch von Süden„). Es galt, einen runden Geburtstag mit einem großen Fest zu feiern.
Ich hatte bei unserem letzten Besuch meiner Freundin von meiner pflegeleichten Wüstenmalve vorgeschwärmt und sie meinte, das sei die ideale Pflanze für sie. Da die gute Sphaeralcea ohnehin ständig Ausläufer treibt (allerdings ohne groß lästig zu werden), habe ich für sie ein Exemplar abgetrennt, in einem Topf weitergezogen und jetzt mitgebracht. Weil meine Freundin nach einer Schulter-OP nicht im Garten arbeiten kann, war das Einsetzen im Geschenk inbegriffen. Sie strahlte, weil wenn ich schon dabei bin… da wartet noch ein anderer Blumenstock auf das Eingraben. Mach ich doch mit links, her mit dem Spaten!
Es erwies sich für mich als unmöglich, auf einem steilen Abhang den Spaten durch die verfilzte Grasnarbe zu bekommen. Mit Müh und Not konnte ich mich auf der Schräge halten, ohne abzurutschen. Ein weiterer Geburtstagsgast half mir aus der Patsche und nach dem ersten Spatenstich kam ich alleine zurecht. Und da staunte ich nicht schlecht, denn als ich den Soden erst einmal abgehoben hatte, brauchte ich den Spaten nicht mehr. Die Erde rieselte mir durch die Finger wie in einer Sandkiste und ich konnte völlig mühelos mit den Händen eine Grube ausheben. Jetzt verstand ich auch, warum meine Freundin mir einen Sack Blumenerde hingestellt hatte. So sieht also sandige Erde aus und ich dachte, die gibt es nur in Norddeutschland. Ich förderte einen Haufen faustgroßer Steine zutage, die ich unter dem Pflanzloch zu einer kleinen Mauer aufschichtete. So würde das Gießwasser eher an seinem Bestimmungsort bleiben und nicht sofort den Hang hinunterschießen. Die Wüstenmalve fand erfreulicherweise am Rande einer ebenen Terrasse Platz, auch hier Steine und lockerer Boden. Allerdings wunderte ich mich sehr darüber, dass das Wasser trotzdem viel länger brauchte um zu versickern als ich es bei mir kenne.
Damit war meine gärtnerische Tätigkeit aber keineswegs beendet. Im Juni hatten wir ausgemacht, dass ich mich um die Tischdeko kümmere, viele kleine Vasen mit den unerschöpflichen Wiesenblumen aus der näheren Umgebung waren geplant. Im Juni! Im August hatten die meisten Wiesen eine Mahd hinter sich und die Auswahl schien auf den ersten Blick ziemlich bescheiden. Mit Schere und einem kleinen Wasserkübel machte ich mich am Freitag auf die Suche. Ich wollte möglichst bunte Sträußchen und musste als erstes ausprobieren, welche Blumen sich einen ganzen Abend frisch halten würden. Je länger ich am Straßenrand unterwegs war, desto mehr Vielfalt konnte ich in meinem Kübelchen sammeln. Berufkraut, gelbe Skabiosen und blaue Esparsetten fand ich zuhauf, Natternkopf und Wiesensalbei nur mehr spärlich. Schafgarbe und Wilde Möhre schnitt ich in allen möglichen Blühstadien ab, ergänzte mit verschiedenen Gräsern und probierte schwefelgelbe Wiesenplatterbse. Ein großer Fleck Wasserdost hätte es mir angetan, wuchs aber leider außer Reichweite an einer steilen Böschung. Als ich ein paar verspätete Karthäusernelken sichtete, kletterte ich sogar über einen Graben. Dann wurde ich erfinderisch: Die braunen Samenstände vom Kleinen Sauerampfer würden eine originelle Note hineinbringen, Distelknospen ebenfalls. Als Füllpflanze hatte ich einen tollen Einfall: Die zarten Spitzen der Weinreben, die ohnehin der sommerlichen Laubarbeit zum Opfer fallen, würden einen saftigen grünen Hintergrund bilden. Letzteres erwies sich als Reinfall, denn nach kaum einer halben Stunde schlappte der Wein komplett, auch das hübsche gelbe Ferkelkraut hielt nicht stand.
Alles andere sah am Samstagmorgen noch tadellos aus und ich zog erneut los. Diesmal musste der Kübel voll werden, was ich nach zwei Stunden auch geschafft hatte. Die nächsten eineinhalb Stunden war ich damit beschäftigt, meine Beute möglichst abwechslungsreich auf rund vierzig Vasen zu verteilen. Am Abend bekam ich (vor allem von weiblichen Gästen) viel Lob für den reizenden Tischschmuck. Ich freute mich, dass meine liebevolle Arbeit nicht unbemerkt blieb, und könnte mich in den Allerwertesten beißen, dass ich nichts davon fotografiert habe. Wie hatte meine Freundin am Vormittag gesagt? „Gib ihr eine Schere und schick sie zu den Blumen, dann ist sie in ihrem Element.“ Wie recht sie hat.
Eure Flora