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Sisyphos

Wer einen Garten hat, dem kommt unweigerlich hin und wieder der griechische Kerl in den Sinn, der dazu verdammt war, einen schweren Stein einen Berg hinaufzurollen, der ihm jedesmal kurz vor dem Ziel wieder entglitten ist. Wofür der Ärmste eigentlich bestraft wurde, weiß keiner so genau (Homer lässt sich nicht näher dazu aus), fest steht nur, dass er ziemlich aufmüpfig den Göttern gegenüber war und er dem Todesgott Thanatos mehrmals listenreich von der Schippe gesprungen ist.

Ich weiß auch nicht, was ich verbrochen habe, wenn ich Quecke ausgrabe, Schnecken absammle oder gegen den Sternrußtau mit Schachtelhalm sprühe. Wie bei Sisyphos sind diese Kämpfe von vornherein zum Scheitern verurteilt, ja schlimmer noch, ich komme nicht einmal in die Nähe des Ziels. Das Absammeln der Schnecken lasse ich seit einer konsequent durchgezogenen Saison, in der ich genauso viele Schäden hatte wie sonst auch, bleiben, die Quecke rupfe ich nur mehr oberflächlich ab und der Sternrußtau hält sich nach dem kräftigen Rückschnitt der „Pilgrim“ in Grenzen. Man könnte auch sagen, ich habe aufgegeben und lebe seither leichter, eine Option, die Sisyphos nicht zur Vergügung stand.

Alles andere, was man landläufig oft als Sisyphosarbeit bezeichnet wie jäten, Verblühtes entfernen, Gras mähen oder Sträucher schneiden, empfinde ich nicht so. Zumindest für einige Zeit ist ein Erfolg sichtbar und man kann sich zufrieden zurücklehnen. Freilich kann ich von vorne anfangen, wenn ich alle Beete durch habe, aber es ist auch eine nette Plauderei mit allen meinen Freunden, schauen, wie es ihnen geht, helfen, wo ich kann. Womit ich nach wie vor hadere, ist die Bepflanzung meiner Beete, die einfach NIE abgeschlossen sein will. Sei es die Sturheit meiner Pflanzen (siehe „Hand in Hand„), seien es altersbedingte Ausfälle, seien es meine idealisierten Vorstellungen, irgendwo ist immer irgendwas zu ergänzen, umzusetzen, zurückzudrängen.

Und wo sind die Einsprengsel?

Erst heute musste ich mir eingestehen, dass mein Konzept des Präriebeets gescheitert ist. Ein Meer von Federgras mit ein paar Einsprengseln von Bartfaden und Salvien sollte es werden. Was es geworden  ist, ist ein Meer von Federgras und ein paar Bartfäden und Salvien, die keine Chance haben, zum Licht der Welt vorzudringen. Auch ein Rückschnitt des Federgrases im Frühjahr (der eigentlich verpönt ist, man sollte nur die alten Halme auskämmen) hat nicht geholfen. Weder die Bartfäden noch die arme Salvie konnten sich durchsetzen, auch nicht der Teufelsabbiss, den ich letzten Herbst anstelle eines Bartfadens ausprobiert habe. Sie fristen unter der dichten Grasmatte (die hinreißend aussieht!) ein kümmerliches Dasein. Um sie zu retten, werde ich sie schleunigst umsetzen, auch wenn es nicht der günstigste Zeitpunkt dafür ist. Bis zum Herbst, fürchte ich, halten sie nicht mehr durch.

Als ebenso langwierig erweist sich die Bepflanzung des Feuerdornbeets. Zunächst einmal ist das Beet sonniger als angenommen, damit habe ich ein paar falsche Pflanzen ausgewählt. Dabei habe ich genau mitgeschrieben, wann die Sonne den Schatten meines Hauses übersteigt und wann sie hinter dem Schatten des Nachbarhauses verschwindet. Im Frühjahr. Da war der Sonnenstand noch eher schräg und die Schatten entsprechend länger. Mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel, die Schatten der Häuser sind entsprechend kleiner bzw. fallen anders und das bedeutet, dass die Strahlen fast den ganzen Tag auf das Beet brennen. Die hübschen Waldphloxe „May Breeze“ und „Clouds of perfume“ haben zwar sofort geblüht, wurden jedoch schnell Opfer der Schnecken und der sengenden Heizlampe. Als sie schon kaum mehr sichtbar waren, habe ich sie ausgegraben und in Töpfen in den Schatten in Sicherheit gebracht. Ganz zaghaft zeigt sich ein neuer Austrieb. 

So viel Sonne war nicht geplant!

Auch die Nessel sieht nicht zufrieden aus, ich erinnere mich aber, dass der Nesselkönig (im Schatten) in seinem ersten Jahr ebenfalls nicht üppig wirkte. Der Eisenhut kümmert vor sich hin, erstens haben ihn bei seiner Ankunft sofort die Schnecken überfallen (Hauptsache, ICH muss wegen seiner Giftigkeit Handschuhe tragen!) und zweitens dürfte es ihm wohl auch zu heiß sein. Die Weinraute müsste sich eigentlich wohlfühlen, verharrt jedoch auf 20 cm und tut nicht weiter. Der einzige, der restlos glücklich ist, ist der Persische Gamander. Ich habe mich schon auf einige Jahre Wartezeit eingestellt, bis das Beet meinen Vorstellungen entspricht.

Zu dem Thema habe ich mir meinen Beitrag „Fertig???“ aus dem Vorjahr durchgelesen, in dem ich ein wenig optimistischer war. Ja, so ist das mit den Gärtnergefühlen, ein ständiges Auf und Ab zwischen Euphorie und Verzweiflung, zwischen Stolz auf Erfolge und Niedergeschlagenheit bei Misserfolgen. Das unterscheidet uns von der tragischen Figur des Sisyphos: Auch wenn wir scheitern, haben wir am Horizont eine reelle Hoffnung auf ein Gelingen.

Eure Flora

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