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Freund oder Feind

Mir schwante gleich Übles, als der nette junge Verkäufer fröhlich sagte: „Aber nicht aus Versehen gleich wieder ausreißen, am Anfang schaut sie wie ein Löwenzahn aus.“ Die Rede ist von der Wegwarte, die ich voriges Jahr auf der Raritätenbörse erstanden habe. Weil das Blau so schön ist. Weil sie eine heimische Wildstaude ist. Weil die Bienen sie zum Fressen gern haben. Haben wollen. Und da schiebt man störende Gedanken einfach beiseite.

Die Wegwarte hat einen großen Nachteil: Sie ist zweijährig. So schön sie voriges Jahr geblüht hat und so fleißig sie sich hoffentlich ausgesamt hat, heuer gibt es nur Blattrosetten, die wie angekündigt wie Löwenzahn ausschauen. Ich habe das halbe Kräuterbeet voller löwenzahnähnlicher Blattrosetten und traue mich nicht, sie zu jäten. Ein paar davon haben sich bereits tatsächlich als Löwenzahn entpuppt, woraufhin ich sie in Windeseile entsorgt habe. Tagtäglich beäuge ich die Rosetten, ob sich verdächtige Blütenknospen in die Höhe schieben. Dasselbe Problem habe ich mit dem Natternkopf, dessen Rosetten auch nicht sehr spezifisch aussehen. Könnte auch ein Spitzwegerich sein oder ein Berufskraut oder sonst irgendein namenloses Unkraut.

WER bist du?

Beim (ebenfalls zweijährigen) Muskatellersalbei sind die Sämlinge eindeutig. Ich habe ihn endlos lange im Beet stehen lassen und mich sehr gefreut, als die ersten Nachkömmlinge aufgetaucht sind. Mittlerweile ist mir nicht mehr so wohl bei der Sache, denn die Verwandtschaft ist überbordend. Die Reichweite der Verbreitung ist enorm, Muskatellersalbei geht überall auf, in Töpfen, in weit entfernten Beeten… Die ersten Kinder habe ich schon entfernt, beim Großteil warte ich noch ab. Richtig mächtig wird er ja erst nächstes Jahr, dann kann ich ihn immer noch in die Schranken weisen.

Gänseblümchen in der Wiese finde ich sehr sympathisch. Sie beleben die Szenerie, lockern das fade Grün auf und sind nicht kleinzukriegen. Wenn man sie abmäht, blühen sie am nächsten Tag schon wieder. Auch wenn die dichten Polster das Gras verdrängen, Hauptsache grün ist meine Devise. Bienen werden von den weißen Körbchen gar nicht angezogen, also kann ich weiterhin barfuß durch die Wiese spazieren, ohne Gefahr zu laufen, gestochen zu werden (beim Klee passe ich allerdings sehr auf). Leider haben Gänseblümchen auch eine ungute Eigenschaft und das ist ihr unbändiger Ausbreitungsdrang. In jedes Beet mogeln sie sich hinein, zuerst ein paar Blättchen, wenige Tage später dann eine üppige Rosette. Ohne Unkrautstecher geht da gar nichts, so fest klammern sich die Wurzeln in die Erde.

Ebenso ungestüm benehmen sich Veilchen. So betörend sie in der Frühlingswiese duften, in den Beeten sind sie eine arge Landplage. Über starke Ausläufer wuchern sie in jede Staude hinein und nehmen allem die Luft zum Atmen. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe heute stundenlang meine Herbstastern befreit. Am Ende habe ich sie gründlich gewässert, denn nach der Kampfansage sahen sie ziemlich mitgenommen aus. Ich hoffe, sie erholen sich schneller als die in der Erde verbliebenen Wurzelstückchen der Veilchen, sonst kann ich von vorne anfangen.

Eine liebe Freundin (die bereitwillig zugibt, vom Gärtnern keine Ahnung zu haben) hat mir begeistert Fotos von ihrer „Blumenwiese“ geschickt. Heuer sind ganz entzückende lila Blümchen aufgetaucht. Ich habe sie sofort als rote Taubnessel identifiziert und ihr geantwortet: „Gut, dass sie dir gefallen, denn du wirst sie nie mehr wieder los.“ Es stimmt ja, die Blüten sind wirklich hübsch, und an manchen Stellen lasse sogar ich sie wuchern, aber ihr Hang, das Kommando zu übernehmen, ist an den meisten Stellen unerträglich.

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Grundsätzlich finde ich alles schön, was blüht und Insekten ernährt. Aber als Gärtnerin, auch im Naturgarten, will ich eingreifen, gestalten und bestimmen. Eine Wildnis hat durchaus ihren Reiz, aber sie ist eben kein Garten. Manchmal ist die Grenze fließend und die Entscheidung nicht leicht. Der Natur ihren Lauf lassen oder strikte Regeln, zuschauen oder das Kommando übernehmen. Wie immer und überall ist der Kompromiss die beste Lösung. Das meint zumindest

Eure Flora

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