Biodiversität
Ziemlich unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit fand diese Woche der Internationale Tag der Biodiversität statt. Auf der BOKU Wien fand bereits im Februar eine mehrtägige Tagung zu dem Thema statt, in mehreren Bundesländern werden jährlich Biodiversitätspreise für verdiente Projekte vergeben. Wie so oft steht zu befürchten, dass diese wichtige Zeichen für die Zukunft der Natur nur von denen wahrgenommen werden, die sich ohnehin um deren Vielfalt kümmern. Von mir zum Beispiel.
Darf ich mir wirklich auf die Schulter klopfen, trage ich tatsächlich Entscheidendes zur bunten Palette unserer Umwelt bei? Oder bin ich eine lächerliche Einzelkämpferin, deren Bemühungen völlig wirkungslos im großen Ganzen verpuffen? Betrachte ich nur unsere Gartenanlage, in der 125 Mitglieder ihre Fleckchen Grün nach eigenen Vorstellungen gestalten, bin ich eine hoffnungslose Außenseiterin (siehe „Ansichtssache„). Die Gärtnerinnen und Gärtner vom alten Schlag, die noch auf prächtige Gemüsebeete und Obstbäume stolz sind, sterben schön langsam aus und neuen Besitzern und deren unvermeidlichen Baggern fallen als erstes die alten Gehölze zum Opfer. Nach dem Hausbau kommt niemandem mehr in den Sinn, einen Baum zu pflanzen, stattdessen werden um teures Geld High-tech-Beschattungsanlagen installiert. Doch das ist ein unerschöpfliches Thema, zurück zu mir.
Ich habe mich in den letzten Tagen mit einer Liste beschäftigt, wie viele Pflanzen ich nun wirklich in meinem Garten habe. Eigentlich bin ich nur neugierig, ob mein Blog den Namen „Ich und 1000 Pflanzen“ zu Recht verdient. Die Aufzählung ist noch nicht vollständig, in einem ersten Rundgang habe ich vorerst alle bewusst gesetzten Lieblinge gesammelt und bin auf mehr als 400 verschiedene Arten gekommen. Mehrfach aufgenommen habe ich nur diejenigen, die an mehreren Standorten wachsen, nicht jedoch, wenn mehrere einer Sorte am selben Ort versammelt sind (da wäre ich schon längst über 1000). Es tummelt sich aber noch viel mehr auf meinen 352 Quadratmetern, da ein Mausohr-Habichtskraut, dort eine Pfeilkresse, hier ein Hirtentäschel… Das meiste „Unkraut“ ist für mich namenlos, obwohl ich mich bemühe, auch diese ungebetenen Gäste kennenzulernen (siehe „Meine LieblingsApp“), und manche dürfen dann bleiben, wenn sie es nicht übertreiben. Oder sie bleiben ohne Erlaubnis, wie das nicht auszurottende Scharbockskraut und die lästige Quecke. Sie gehören aber ebenso in die Liste, wenn sie eine halbwegs erschöpfende Darstellung der Pflanzenwelt in meinem Garten sein soll. Viel Aufwand, aber auch ziemlich spannend, was ich noch alles entdecken werde.
Biodiversität bezieht sich auf Flora UND Fauna in den Ökosystemen, also sollte ich wohl eine zweite Liste über die Tierwelt in meinem kleinen Reich anlegen. Auf Anhieb fallen mir Vögel und meine Molche ein, Eidechsen, die Engerlinge im Komposthaufen, Regenwürmer und Asseln, Schnecken, Wanzen, Käfer, Bienen, Schmetterlinge… Je länger ich darüber nachdenken, desto mehr fällt mir ein. Wenn ich da alle Arten zusammensammle, kommt wohl auch eine beachtliche Anzahl zusammen. Aber wieder die bange Frage: Ist es genug? Kann ich mehr tun? Ich fürchte nein. Ich kann es nicht ändern, dass die nächtlichen Igelbesuche ausbleiben, wenn rundherum die alten Maschendrahtzäune durch lückenlose, blickdichte Wände ersetzt werden. Ich kann nichts dagegen tun, dass sich meine Nachbarn bewaffnen, um die harmlose Äskulapnatter bei ihrem nächsten Auftauchen zu erschlagen. Ich kann meiner Nachbarin nicht begreiflich machen, dass ihr Insektengift nicht bei den verhassten Läusen halt macht, sondern gleich die Marienkäfer mit umbringt.Alles, was in meiner Macht steht, ist, unermüdlich kleine Lebensräume in meinem Paradies zu schaffen, Bereiche, in denen sich Pflanzen und Tiere wohlfühlen. Noch einen Nistkasten aufhängen, noch einen Totholzhaufen anlegen, noch ein paar insektenfreundliche Stauden hineinquetschen. Jeder Grashalm zählt. Vielleicht geht doch einmal jemand vorbei, dem das bunte Treiben gefällt und der es zu Hause ein bisschen nachmacht.
Gestern zeigte ich meiner Tochter die wunderschöne Petunie, die seit einigen Tagen das Eckregal auf der Terrasse schmückt, und sagte entschuldigend dazu: „Ist halt leider nix für die Bienen.“ Sie fegte mein schlechtes Gewissen sofort hinweg: „In deinem Garten gibt’s genug für die Bienen!“ Danke.
Eure Flora