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Das Haustier

Ich habe letztes Jahr versucht, meine Strauchsalvien mittels Stecklingen zu vermehren. Eigentlich dachte ich, sie seien gut angewachsen, denn den ganzen Sommer über bildeten sich neue Blätter. Dasselbe nahm ich von den zwei Rosenstecklingen an, die ich ebenfalls in die Schale gestupft hatte (ich hatte unabsichtlich einen schönen Rosentrieb abgeschnitten und versuchte ihn so zu retten). Im Herbst topfte ich den größeren der beiden in einen eigenen Topf um (tatsächlich hatten sich Wurzeln gebildet) und verbuddelte den Topf zum Überwintern im Storchschnabelbeet. Zu meiner großen Freude haben sich bereits Knospen gebildet, es scheint geklappt zu haben!

Anders schaut es mit den Salvien und dem verbliebenen Rosentrieb aus. Ich habe die Schale mit nach Hause genommen und ins kühle Schlafzimmer gestellt. Anfangs grünten die Stecklinge weiter und ich grübelte schon über passende Plätze für die neuen Pflanzen. Dann, rund um Weihnachten, fielen die Blätter ab und einer nach dem anderen wurde braun und dürr, auch die Rose. Na klar, dachte ich mir, sie ziehen halt verspätet ein und kommen dann im Frühjahr wieder. Bald wirkte die Schale so trostlos, dass ich mir blöd vorkam, wenn ich sie liebevoll mit Wasser besprengte. Vorgestern hielt ich es nicht mehr aus. Ich kippte die Erde auf den Wohnzimmertisch und suchte die „Pflanzen“ heraus. Bei der Rose haben sich überhaupt keine Wurzeln gebildet, ich hielt nur einen verdorrten Stängel in der Hand. Bei einigen der Salvien fanden sich ein paar kümmerliche Würzelchen, aber lebendig sieht nichts davon aus. Die meisten waren einfach nur in die Erde gesteckte Stängel und ich habe sie entsorgt. Die mit den Wurzeln habe ich vorläufig in ein Wasserglas gestellt und hoffe, dass sich dann irgendwas tut.

Bei aller Enttäuschung über das magere Ergebnis wartete in der Erde doch eine Überraschung auf mich: Als ich sie ausleerte, kam ein dünner, zusammengeringelter blassrosa Regenwurm zum Vorschein, der sich im Tageslicht entsetzt aufbäumte. Schnell warf ich eine Handvoll Erde über ihn und staunte. Wie hatte er monatelang im Topf überlebt? Wovon hat er sich ernährt? Reichten ihm die paar Blätter, die im Herbst abgefallen waren? Ich zupfte ein paar Blätter von meinen Chilis, schnitt sie in schmale Streifen und drapierte sie auf der Erde, die ich mitsamt Regenwurm wieder in die Schale gefüllt habe. Dann rupfte ich im Hof ein paar Grasbüschel ab und verteilte sie ebenfalls an der Oberfläche.

Begeistert berichtete ich meinem Mann von dem neuen Mitbewohner, der die Nachricht nicht so enthusiastisch aufnahm. Als ich ihm von meiner Fütterungsaktion erzählte, nannte er mich „Frau Merkwürden“. (Ich fürchte, aus der Wurmkiste in der Küche, mit der ich seit einiger Zeit liebäugle, wird nichts.) Erst heute fiel mir ein, dass ich den Wurm ja auch im Hof hätte aussetzen können. Oder in den Garten mitnehmen und ihn im Komposthaufen freilassen. Stattdessen bin ich versucht, die Blattstreifen und Grashalme zu zählen, um festzustellen, ob sie weniger werden. Mittlerweile habe ich nachgelesen, dass Regenwürmer eine Art Winterschlaf halten und erst im Frühling bei steigenden Temperaturen wieder aktiv werden. Vielleicht versteckt sich noch ein zweiter Wurm in der Erde. Wenn es jetzt genug Nahrung gibt, könnten sie sich paaren und dann gibt es Regenwurmbabys! Und das alles in meinem Schlafzimmer!

Es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass die Gartensaison beginnt. Zu Hause fange ich noch komplett zu spinnen an.

Eure Flora

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