• Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Die Blumenwiese

Es ist, anders kann man es leider nicht ausdrücken, eine Niederlage.

Eine meiner schönsten Urlaubserinnerungen aus meiner Kindheit war eine Blumenwiese am Hang vis-à-vis des Hauses, in dem wir ein Zimmer hatten, in Windischgarsten. Ich durfte in die Wiese hinaufsteigen und die unzähligen Blüten aus der Nähe betrachten: Mohnblumen, Margeriten, Esparsetten, Schafgarbe, Hahnenfuß und noch vieles mehr, was ich nicht kannte. Ich legte mich ganz still in die Mitte der Wiese und bestaunte das Gesumme um mich herum. Kummer machte mir, dass ich einen Abdruck hinterließ, der noch am nächsten Tag zu sehen war, weil mir die armen plattgewalzten Blumen leid taten. Zu meinem Leidwesen musste ich ständig mit meinen Eltern wandern gehen, ich wäre am liebsten den ganzen Urlaub dort sitzen geblieben.

Mit diesem verklärten Bild im Kopf beschloss ich, in meinem Garten ein Stückchen Blumenwiese anzulegen. Der Trend aller Gartenzeitschriften geht ohnehin in diese Richtung. Ich stöberte im Internet und fast alle Ratgeber sind sich einig: Für eine Blumenwiese muss man zunächst einmal umgraben und alles vorhandene Grün penibelst ausrupfen. Dann am besten ein Jahr lang mit Pappe abdecken und wieder jedes Wurzelfitzelchen mit der Lupe suchen. Dann eine gute Samenmischung (von einer Spezialgärtnerei, nicht die Fertigtüten, die man überall bekommt) aus Wiesenblumen, und zwar aus echten, heimischen, mehrjährigen Stauden aufstreuen und mit viel Liebe und Geduld, so ungefähr zwei Jahre lang, abwarten. Irgendwann stellt sich dann die Blütenpracht ein, wenn der Boden genug abgemagert ist, wenn die Pflanzen sich am Standort wohlfühlen und sich nicht gleich wieder verabschieden, wenn die Lichtverhältnisse passen, wenn… Das muss einfacher gehen, beschloss ich.

Vereinzelt findet man auch die Idee, eine vorhandene Wiese nicht mehr zu düngen und Samen einzustreuen. Was passt, setzt sich schon durch und bald hat man das gewünschte Ergebnis. Ich verbesserte den Vorschlag, indem ich auf den geplanten Fleck Sand aufstreute (zum Abmagern) und die dichtesten Graspolster vereinzelt ausstach. Ich schaute mir das Angebot einer Spezialgärtnerei an und pickte mir aus deren Mischungen die Blumen heraus, die ich unbedingt ansiedeln wollte: Margeriten, Mohnblumen, Wiesensalbei, schwarze Königskerze und Ackerwitwenblumen. Eine Freundin sammelte Samen von wilden Löwenmäulchen für mich, die bei ihr in der Steiermark überall wuchern, ich selbst brachte seit letztem Jahr aus jeder Wiese, an der ich vorbeiging, Samen von Hahnenfuß, Ackersenf, Beifuß, Rossminze, Natternkopf, Königskerzen, gelben Skabiosen und Klappertopf mit und streute sie aus. Mir ist schon klar, dass nicht alles davon auf den rund 8 oder 9 m² Platz findet, aber das geht ja eh nicht alles auf, sagte ich mir. Es ist bisher GAR NICHTS aufgegangen, nichts, nada. Nicht einmal in dem leeren Streifen, der nach den Sonnenblumen vom letzten Jahr übrig geblieben ist (und eigentlich von den Sonnenblumen ordentlich abgemagert worden sein müsste).

Meine „Blumen“wiese besteht aus Wilder Möhre, Wiesen-Pippau, Berufkraut (das ich wegen seiner argen Wucherei meist ausreiße) und einjährigem Lein. Nach dem empfohlenen Junischnitt schaut die Fläche aus wie – Unkraut. „A Gstettn“, wie man in Wien sagt. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Im Kräuterbeet habe ich eine Wegwarte und eine Natternkopfrosette ausgebraben und in die Wiese umgesetzt. Ich warte auf den Neuaustrieb der Färberkamille (ebenfalls im Kräuterbeet) und steche dann ein kleines Stück ab. Acker-Glockenblumen wuchern beim Gartentor, die könnte ich auch übersiedeln. Eine Kornblume treibt grade neu aus und am Heckenrand hat sich ein Herzgespann etabliert. Meine liebe Gartenfreundin Silva hat mir aus England Samen von einem entzückenden gepunkteten Mohn mitgebracht, die säe ich rund um den Pfirsichbaum in die Baumscheibe, da wird hoffentlich was rüberfallen. Und vielleicht schlummern die restlichen Samen noch ein bisschen und kommen erst im nächsten Frühjahr! Heute bin ich mit gezücktem Handy unterwegs gewesen und habe alle Blätter, die ich nicht gleich als Berufkraut oder Gänseblümchen erkannt habe, von der App bestimmen lassen. Zu meiner großen Freude hat sie drei fremde Blättchen als Wiesensalbei identifiziert. Und ein weiches Blättergewuschel als Skabiose, ein anderes als Wiesenmargerite. Na also, geht doch, auch wenn sie heuer wahrscheinlich nicht mehr blühen. Wartet’s nur ab, ich kriege noch die schönste Blumenwiese weit und breit!

Und Fluch und ewige Verdammnis allen Ratgebern, die mir drei Jahre Anlaufzeit prophezeit haben! Müssen die unbedingt recht haben?

Eure Flora

A Gstettn
Natternkopf 1. Jahr
Hurra, ein Wiesensalbei!

Schreibe einen Kommentar