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Der Baumstumpf

Es war einmal eine niedliche kleine Scheinzypresse in einem niedlichen kleinen Topf und weil sie nur 10 Schilling kostete, kaufte meine Mutter gleich zwei davon und brachte sie mir freudestrahlend aus dem Urlaub mit. Ich kann Koniferen nicht ausstehen.

Was blieb mir anderes übrig als sie einzugraben und auf Kahlfröste und mörderische Schädlinge zu hoffen? Ich pflanzte sie als Eckpunkte am Weg, eine in der Nähe des Gartentores, die andere am Ende des Weges, dort wo heute mein Liegeplatz ist. Letztere fiel der großen Gartenumgestaltung zum Opfer (siehe Es war einmal… Fortsetzung), die andere durfte bleiben. Rundherum plante ich das Große Staudenbeet.

Da hielt sie sich noch im Hintergrund.

Im Laufe der Zeit blieb von dem Staudenbeet nicht mehr viel übrig. Die Scheinzypresse wuchs und wuchs, sowohl in die Höhe als auch vor allem in die Breite, überragte bald die benachbarte Blutpflaume und versperrte den Weg. Ich schnitt sie jedes Jahr radikal zurück, aber es schien, als würde sie schneller wachsen als ich schneiden konnte. Bevor sie den gesamten Garten übernahm, entschloss ich mich, sie zu entfernen und an ihrer Stelle eine Felsenbirne zu pflanzen. Wir haben einen sehr netten Mann in der Anlage, der als Ein-Mann-Firma diverse Arbeiten übernimmt, und ihn heuerte ich an. Von einer vollständigen Entfernung des Wurzelwerks riet er mir ab, das sei nur mit schwerem Gerät machbar und würde wahrscheinlich den Weg in Mitleidenschaft ziehen. Ich war einverstanden, bleibt die Wurzel halt drinnen.

Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass es sich der gute Mann gar so einfach machte. Er sägte kurzerhand den Stamm bodeneben ab, was ich gar nicht gleich bemerkte, weil es Spätherbst war und er ein bisschen Erde über dem Stumpf verteilte. Erst im Frühjahr, als ich an der Stelle Blumen pflanzen wollte, schaute ich dumm, als ich nach einem Zentimeter auf Widerstand stieß. So war das aber nicht ausgemacht, reklamierte ich. Kein Problem, war die Antwort, er hätte da ein gutes polnisches Mittel, das müsse man nur aufstreuen und drei Wochen später sei alles zersetzt. Nichts gegen Polen, aber für seinen Umweltschutz ist es nicht berühmt. Ich lehnte dankend ab. Später machte ich mich auf die Suche im Internet und wurde fündig. Solche Mittel gibt es tatsächlich, aber ihre Wirksamkeit ist umstritten. Unumstritten ist lediglich der ökologische Wahnsinn ihres Einsatzes.

Mein Sohn, damals 15 und voller überschüssiger Kräfte, versicherte mir, dass er die Sache in einer Stunde erledigt habe. Seine Freude, mit der Axt auf etwas eindreschen zu dürfen, ebbte bald ab. Nach zwanzig Minuten hatte er es grade einmal geschafft, in eine armdicke Seitenwurzel einen Kratzer zu hauen. Er begann von Salzsäure und Plastiksprengstoff zu phantasieren. Das wollte die undankbare Mutter aber auch nicht.

Nun hatte ich mitten in meinem schönen Beet eine Fläche von ca. 50 x 50 cm, auf der ich nichts anpflanzen konnte, also eine ziemliche Lücke. Als sich der anfängliche Ärger gelegt hatte, wurde ich kreativ. Auf einem umgedrehten Topf platzierte ich einen großen Blumentopf mit Einjährigen, die das Loch üppig kaschierten und sogar eine interessante Höhenstaffelung in das Beet brachten. Der Platz ist zur Wechselausstellung mutiert, ein Jahr ist es die Duftpelargonie (siehe Die Stinkerin), dann wieder ein Chili. Aktuell thront dort der Nelkentopf und kommt dadurch hübsch zur Geltung.

Irgendwann wird der Baumstumpf verrottet sein, aber ich bezweifle, dass ich das erlebe. Heuer habe ich nachgeschaut, nach immerhin sieben Jahren sieht alles immer noch unverändert aus. Ich muss bei Gelegenheit meinen Sohn fragen, ob er’s noch einmal probieren will.

Eure Flora

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