Die kleine Nachbarin
Drei Gärten weiter wohnt eine ganz reizende kleine Nachbarin, die gerade das Sprechen lernt. Nennen wir sie Lea (das stimmt zwar nicht, aber vielleicht ist es ihr eines Tages nicht recht, dass ich ihre Geschichten veröffentlicht habe). Für ihren unbändigen Bewegungsdrang ist der eigene Garten viel zu klein, schließlich gibt es rundherum auch so viel Interessantes zu sehen und zu entdecken. Und so stapft sie fast jeden Tag mit Mama oder Papa an meinem Gartenzaun vorbei. Da mein Garten an einer Wegkreuzung liegt, kann sie gleich von zwei Seiten mein Reich erkunden.
Im März war es vor allem das Insektenhotel, das sie magisch anzog. „Bienen ‚ein-‚aus“, verkündete sie und beobachtete gebannt die Wildbienen, die eifrig Wohnungen besichtigten oder schon beim Einzug waren. Und als sich dann zu Ostern eine Eidechse auf dem Holzstapel sonnte, war die Sensation perfekt. Bis heute schaut Lea immer nach, ob die Eidechse vielleicht wieder einmal auftaucht und sagt stolz „Eidechse“. Das Insektenhotel ist mittlerweile uninteressant geworden, es tut sich ja nichts mehr.
Auf der anderen Seite meines Gartens begeistern sie die vielen Blumen (aus den anfänglichen „Bumen“ sind schon „Blumen“ geworden) und allerlei Krimskrams, den ich dort aufgestellt habe. Das meiste stammt noch aus der Zeit, als meine Tochter klein war und sich diese Dekorationen wünschte, so der „Herr Professor“ im Vordergrund und der (einst rosa) Vogel weiter hinten. Die Kleine benennt alles überaus ernsthaft und freut sich, wenn ich ihre Worte wiederhole und bestätige. Nur als ich den Vogel aus dem Winterquartier holte und ihr den Neuling zeigte, wurde sie nachdenklich. „Vo – gel“, wiederholte ich so deutlich wie möglich und auch ihre Mutter probierte es, doch Lea überlegte weiterhin. Schließlich sah sie uns triumphierend an, deutete auf den Vogel und sagte laut und deutlich „Windrad“. Wir sahen uns verblüfft an. Tatsächlich, ich hatte es schon völlig vergessen, unter dem Vogel sollte sich ein Windrad drehen. Was es seit Jahren nicht mehr tut, weil es total verrostet ist.