Villa Kunterbunt
In meinen frühesten Kindheitserinnerungen war das Gartenhaus weiß mit dunkelgrünen Fenstern. Irgendwann wurde es dann hellblau mit eierschalenfarbenen Fenstern.
Als mein Vater mit 60 Jahren in Pension ging (damals noch „wohlverdient“ und ohne den Haut-Goût des gesellschaftsschädigenden Sozialschmarotzers), deckte er das gesamte Haus mit Eternitplatten ein. Angesichts seines Alters wolle er nie mehr die Fassade streichen müssen, erklärte er. An sich recht vernünftig, doch warum die Platten ausgerechnet GRAU sein mussten, verstand ich nicht. Senffarbene Fenster und Tür setzten dem Ganzen die Krone der Hässlichkeit auf.
Doch im kollektiven Gedächtnis der Anlage ist die bunte Vergangenheit haften geblieben. Bei einem Vereinsfest vor zwei Jahren kam ein hochbetagtes ehemaliges Vorstandsmitglied zu Besuch. Ich begrüßte den alten Herrn, doch er konnte mich nicht mehr einordnen. Eine Nachbarin kam ihm zu Hilfe: „Doch, daran erinnern Sie sich ganz bestimmt, das Haus mit den bunten Fenstern! Wir haben es immer die Villa Kunterbunt genannt.“ Da ging ein Leuchten durch seine halbblinden Augen. Oh ja, an DIE Verrückte konnte er sich erinnern!