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Schnittblumen

In unserem Freundeskreis gibt es einen Mann, der von allen nur der Rosenkavalier genannt wird. Er hat nämlich das sympathische altmodische Credo: „Wenn du zu einer Frau gehst, bring ihr Blumen mit.“ Und das tut er. Sogar wenn wir ihn wegen seines handwerklichen Geschicks um Hilfe bitten, schleppt er in der einen Hand seinen Werkzeugkoffer und in der anderen einen Blumenstrauß. Nicht irgendeinen Verlegenheitsbuschen von der Tankstelle, nein, die herrlichsten floristischen Arrangements, die man sich nur vorstellen kann, die sich auch stets durch eine unglaubliche Haltbarkeit auszeichnen. Mindestens eine Woche verschönern sie mein Wohnzimmer und nicht selten zupfe ich nach zehn Tagen noch die letzten heilen Blüten aus dem Strauß und fülle damit zu guter Letzt eine kleine Vase.

Im Garten stellt mich seine Beharrlichkeit jedoch jedes Mal vor Probleme. In meiner Prachtvilla habe ich weder eine angemessene Vase noch den Platz dafür sie aufzustellen. Im Freien kommen die schönsten Sträuße bei meinen vielen Blumen kaum zur Geltung und landen in der Sommerhitze binnen zwei Tagen auf dem Kompost. Ich habe ihn daher letztes Jahr bei einer Einladung gebeten, ausnahmsweise KEINE Blumen mitzubringen. Er respektierte meinen Wunsch, fühlte sich aber sichtlich nicht wohl damit und entschuldigte sich mehrmals. Beim nächsten Mal hatte er eine andere Lösung gefunden: Im Sommer bekomme ich „Etwas für den Garten“. Heuer hat er mir einen hübschen „Brunnen“ aus Birkenholz (siehe Gartentagebuch 4. August) und eine australische Schönranke (Pandorea) geschenkt. Die Kletterpflanze hat sich ordentlich vergrößert und ein bisschen nachgeblüht. Wenn ich sie durch den Winter bringe, was ich sehr hoffe, brauche ich nächstes Jahr ein stabiles Gerüst für sie. Ich könnte ihn ja fragen, ob er mir eines baut…

So sehr ich es liebe, meine Wohnung mit Blumen zu schmücken, es würde mir nie einfallen, sie in meinem Garten abzuschneiden. Hinweise in Gartenkatalogen, dass sich Pflanzen gut zum Schnitt eignen, gehen bei mir völlig ins Leere. Schon als Kind tat es mir leid, wenn meine Mutter für den Friedhof die Beete plünderte. Da ich Pflanzen von jeher als Freunde betrachtete, ist es mir zuwider, in ihren natürlichen Kreislauf einzugreifen. Nicht einmal im Herbst, wenn ich schon wieder in der Wohnung bin, bringe ich es übers Herz, mir noch einen Strauß mit den letzten Blüten mitzunehmen. Ich sehe sie zwar nicht mehr jeden Tag, trotzdem sollen sie an ihrem angestammten Platz bleiben und in Würde welken.

Auch in der freien Natur pflücke ich keine Blumen und ich ärgere mich, wenn Leute ihre Kinder in einer Wiese alles abrupfen lassen. Solche „Sträußchen“ landen wenig später achtlos am Wegesrand und ich klaube sie dann meist auf. Ist ein Bach in der Nähe, stecke ich sie zwischen Steine ins Wasser, oder ich nehme sie mit nach Hause und rette wenigstens für ein, zwei Tage noch ihren Anblick. Das klingt vielleicht ein bisschen schrullig, aber je älter ich werde, desto weniger verstehe ich die Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft. Wenn ich im Garten aus Versehen mit dem Verblühten eine Knospe oder Blüte abschneide, was mir bei aller Sorgfalt leider immer wieder passiert, landet das Unfallopfer in einer kleinen Vase im Badezimmerfenster. Und ja, manchmal suche ich ihr ein oder zwei passende Partner, damit sie nicht so einsam aussieht. Wenn ich mich dann bei den herumsummenden Bienen entschuldige, dass ich ihnen ihr Essen wegnehme, schaut mich mein Mann komisch an.

Meine Tochter jobbt derzeit bei einer Cateringfirma. Neulich brachte sie ein riesiges Blumengesteck als Geschenk, das sonst zu ihrem Entsetzen nach einer Veranstaltung entsorgt worden wäre. Eigentlich wollte sie es mit nach Hause nehmen, doch bereits beim Abtransport wurde ihr klar, dass das Monstrum den Rahmen ihrer 30 m²-Wohnung sprengen würde, also schleppte sie es zu uns. Für den Couchtisch, wie sie meinte, kam es nicht in Frage, wir hätten nicht einmal mehr ein Glas abstellen können. Also füllte es den großen Esstisch. Nachdem ich den ausgedörrten Steckschwamm durchtränkt hatte, stellten sich die prachtvollen Gerbera und Chrysanthemen wieder auf und es war über eine Woche lang ein majestätischer Anblick. Als es vor zwei Tagen unansehnlich wurde, nahm ich die haltbarsten Köpfe heraus und habe immer noch drei volle Vasen. Anscheinend ist es mir gelungen, meine Werte weiterzugeben. Ganz so spinnert bin ich doch nicht.

Eure Flora

Unfallopfer
Die Reste vom Feste

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