Der große Pfusch
Eines Tages hatte ich es satt, mitten im Garten, quasi auf dem Präsentierteller, zu liegen. Ich wollte einen stillen Rückzugsort, der für die Vorübergehenden nicht einsehbar ist. Die Fläche neben dem Haus, einst das Gemüsebeet meiner Mutter, führte ohnehin seit Jahren ein Stiefkinddasein. Für ein Beet zu groß, für Aktivitäten auf der Rasenfläche zu klein, lästig zum Mähen. Aber als kleiner verborgener Winkel zum Lesen, Musik hören oder nach getaner Arbeit vor mich hindösen? Perfekt! So war die Idee zu meinem „Liegeplatz“ geboren.
Zunächst einmal musste die uralte, zwar praktische, aber hässliche Wasserleitung mitsamt dem dazugehörigen Schacht versteckt werden. Ich bestellte im Internet eine Verkleidung aus Holzimitat und ließ sie sicherheitshalber vom Installateur, als er im Frühjahr das Wasser aufdrehte (siehe „Wasser marsch!„), gleich montieren. Der Mann war ein rechter Grobian, maulte die ganze Zeit wegen des filigranen „Klumperts“, prophezeite mir eine Haltbarkeit von einem Jahr und überhaupt gehört so etwas auf einem Betonsockel montiert und nicht einfach auf die Wiese hingestellt. Ich war froh, als er draußen war. Wegen des Aufstellens hatte er allerdings recht, die Säule wackelte beträchtlich.
Einen Sockel zum Festschrauben hatte und wollte ich aber nicht, also wurde ich erfinderisch. Ich besorgte mir im Baumarkt Gewindestangen und große Muttern, schlug die Stangen durch die Befestigungslöcher einen halben Meter tief in den Boden ein und fixierte sie mit den Schraubmuttern. Ach, der Blick von dem Angestellten, als ich ihm sagte, was ich für mein Vorhaben brauchte. „Das hält nie, die Stangen rosten Ihnen durch“, meinte er kopfschüttelnd. „Dann kauf ich halt in ein paar Jahren neue“, entgegnete ich trotzig. Die Wassersäule hält, zwar nicht bombenfest, aber doch seit neun Jahren.
Als nächstes plante ich eine Holzterrasse. Wieder wurde der Ruf nach Beton laut, diesmal von allen männlichen Freunden und Bekannten, denen ich von meinem Projekt erzählte. Oder wenigstens ein Schotterbett. Stur beharrte ich darauf, die Holzfliesen einfach nur aufzulegen, plagte mich ein, zwei Tage lang damit ab, den Untergrund halbwegs eben zu kriegen und platzte vor Stolz über meine „Terrasse“. Der längeren Haltbarkeit wegen räume ich die Platten über den Winter auf den Dachboden.
Dann wurde es kompliziert, denn ich wollte eine Sichtschutzwand zu den Nachbarn. Ein empfohlener „Fachmann“ kam, sprach von einem 50 cm breiten Betonsockel und dass er sich wieder melden würde, wenn er Zeit dafür hätte. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört, was mir aber nicht leid tat, denn ich wollte sowieso keinen Betonsockel. Ich kaufte vier Holzpfosten und verpflichtete meinen Sohn und seinen besten Freund zum Graben. 40 cm tief, schätzte ich, würden reichen. Es war ein heißer Tag und die zwei wollten aufs Donauinselfest. Nach 20 cm erklärte mein Sohn, das sei tief genug, und ließ sich weder durch Bitten noch durch Schimpfen zu weiteren Erdarbeiten bewegen. Das hat man davon, wenn man Kinder zu selbständig denkenden Menschen mit eigenem Willen erzieht. Verbissen buddelte ich alleine in den Löchern weiter, bis ich die Pfosten hineinstellen konnte, und trat das Erdreich, so gut ich konnte, fest. Es war nicht fest genug, die Steher schwankten und wankten. So konnte ich keine Wand montieren.
Mir ging es damals nicht gut, ich war dabei, in ein Burn-out hineinzuschlittern, und mit allem und jedem, besonders mit Entscheidungen, ständig überfordert. Also passierte in den nächsten Monaten gar nichts, ich war zwar todunglücklich über die verhunzte Idee, konnte mich aber zu keiner Lösung aufraffen. Ich lag ohne Sichtschutz auf der Terrasse, bis sich meine Nachbarin eines Tages gereizt darüber aufregte, dass ich vor IHREM Küchenfenster liege. Das sei eine Frechheit! Die einzig richtige Anwort wäre gewesen, dass ich in MEINEM Garten liegen kann, wo ich will, und dass es ja ihre Entscheidung gewesen ist, ihr Küchenfenster so zu bauen, dass sie diretissimo in meinen Garten schaut. Sie könne deswegen nicht erwarten, dass ich diesen Gartenteil nicht mehr betrete, nur damit sie mich nicht sieht. Außerdem könne sie sich ja selber um einen Sichtschutz kümmern, ich habe ohnehin schon den ganzen Weg entlang Sträucher gepflanzt. Aber wie gesagt, ich war damals ziemlich angeschlagen, wollte keinen Streit und versprach ihr nur müde, dort nicht mehr zu liegen, bis der Sichtschutz fertig wäre. Bis auf weiteres war mir der Platz gründlich verleidet.
Zwei Jahre später hatte ich meine Krise überwunden und stürzte mich auf die Sichtschutzwand. Auch mein Sohn hatte seine pubertäre Bockigkeit abgelegt und gemeinsam überlegten wir, wie wir die immer noch schwankenden Pfosten ohne großen Aufwand festigen könnten. Wir versuchten es mit runden Schalsteinen, die wir über die Steher stülpten und mit Steinen ausfüllten. Besser, aber noch nicht gut genug. Also doch Beton. Wir gossen die Schalsteine mit Schnellzement aus und bohrten sogar Abzuglöcher für das Regenwasser. Obenauf legten wir die Steine, damit es hübscher aussieht. Als letzte Maßnahme verband ich die vier Steher direkt über den Ringen mit einem dicken Schalbrett. Jetzt konnte nichts mehr wackeln. Ich band eine Schilfmatte an die Rückseite der Pfosten und hatte endlich einen Sichtschutz.
Die Schilfmatte war aber nur der erste Schritt, ich wollte die Wand wesentlich kreativer gestalten. Ich durchsuchte Haus und Garten nach Brettern und sonstigem brauchbaren Material und meinen Kopf nach Ideen. Nach einiger Zeit hatte sich dies und das angesammelt, aber es sah doch irgendwie lieblos und unfertig aus. Ich kümmerte mich erst einmal um die Bepflanzung, erstand Taglilien (die ich mittlerweile dreimal umgesetzt habe, siehe „Nichtblüher„) und Eisenhut (der nach drei Jahren Dahinsiechen aufgegeben hat). Mittlerweile habe ich Pflanzen gefunden, die den Extremstandort (Hausschatten, Mittagssonne, Hausschatten) aushalten. An meiner Seite wachsen Kaukasus-Vergissmeinnicht, Nesselkönig, Immenblatt, Japansegge und Armenischer Storchschnabel. Mit der Wand war ich immer noch unzufrieden, aber mir fehlte eine zündende Idee.
Voriges Jahr hatte ich plötzlich eine Eingebung: bunte Bretter, wie die Flaggen unserer Lieblingsurlaubsländer! Aber dünne Bretter kriegt man nicht und 2 cm dicke Bretter wollte ich meiner Konstruktion nicht zumuten. Ein Freund erklärte sich bereit, die Sache in die Hand zu nehmen (siehe Gartentagebuch 2023, 5. Juli). Ich wartete. Er meldete sich nicht. Mein Mann erinnerte ihn daran. Im Herbst kamen wir schließlich überein, dass es im Frühjahr besser ist. Im Frühjahr machten wir einen Termin aus, er kam nicht, meldete sich aber ein paar Tage später, dass er dringend… OK, nächster Termin. Wieder nix. Ich hatte die Nase voll und suchte nach Alternativen.
Jetzt aber! Ich fand Kunststoffplatten in genau den richtigen Farben, wetterfest für den Außenbereich beschichtet, nur 6 mm dick und jeder Zuschnitt möglich. Zwar nicht ganz billig, aber leistbar. Auf Wunsch machen sie auch Bohrlöcher hinein, großartig! Hoppla, nicht mehr leistbar… Die Brettchen hätten plötzlich das Vierfache gekostet. Also ohne Bohrlöcher und ich musste mir wieder einmal was überlegen. Ohnehin muss ich zwischen den Platten ein wenig Platz lassen, um nicht eine durchgehende Windangriffsfläche zu haben. Also drehte ich die Schrauben in die Abstände hinein und fixierte die Platten mit großen Beilagscheiben. Das alte Brett sah jetzt aber neben den bunten Nachbarn ziemlich schäbig aus. Ich fand auf dem Dachboden einen Rest weißen Bootslack und pinselte drauflos. Nach einem Durchgang sah das Brett wie eine alte verwitterte Schiffsplanke aus – cool! Ich montierte gleich noch ein zweites Brett mit diesem Look.
Und jetzt… ich bin fertig! Ich kann’s gar nicht glauben. Fast zehn Jahre hat es gedauert von der ersten Idee bis zur endgültigen Gestaltung. In meiner Liege (siehe „Die Gartenliege„) träume ich von fernen Reisezielen… oder von meinem nächsten Projekt… oder Augen zu, ich bin ja so müde…
Eure Flora