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Der Winter-Blues

Jedes Jahr, wenn der Winter anfängt sich dahinzuziehen, das ewige Graubraun erdrückend wird und die Sehnsucht nach dem Frühling aufkeimt, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl, ebenso unsinnig und unaufhaltsam wie der August-Blues. Man könnte es auch eine leichte Panik nennen: Im Garten ist alles kaputt geworden, da treibt nichts aus, da wächst nichts mehr. Hat den alten Herrn der Schlag getroffen? War es zu kalt, zu warm, zu trocken, zu nass?

Die größte Sorge gilt meinen Schätzen von der Gärtnereientour vom Vorjahr. Ein paar haben sich schon endgültig verabschiedet, der lustige wuschelige Sonnenhut „Marmalade“ etwa und der niedliche Islandmohn. Den Glockenblumen hat wahrscheinlich der Fuchs den Garaus gemacht. Der Thymus praecox hat im Herbst sehr mickrig ausgeschaut. Und die eigentlich nicht winterharten Salvien, die ich dick in Laub und alte Vorhänge eingepackt habe, damit sie die Kälte überstehen, geht es ihnen gut? Im Schlafzimmer steht eine Schale mit Stecklingen, die den ganzen Sommer über grün waren und Blätter getrieben haben, meiner Meinung nach daher angewachsen waren. Jetzt sind es dürre Reste und ich sehe jeden Tag nach, ob sich neues Leben regt. Zwei Rosenstängel, die ich dazwischen gesteckt habe, haben im Herbst programmgemäß ihr Laub abgeworfen und sind in der letzten Woche braun geworden. Ich traue mich nicht nachzugraben, ob sich je Wurzeln gebildet haben, weil ich Angst habe, ihnen dann überhaupt den Rest zu geben.

Zur Beruhigung war ich diese Woche im Botanischen Garten. Winterling und ein paar Schneeglöckchen blühen, ein paar zaghafte Spitzen ragen aus den Beeten, die Narzissen können es auch nicht mehr erwarten. Aber im Großen und Ganzen schaut das Areal genauso aus wie mein Garten – tot. Na bitte.

Nach über dreißig Jahren Gärtnern sollte ich es eigentlich besser wissen und der Natur mehr vertrauen. Ja, die Stängel vom Vorjahr sehen nicht mehr herbstlich verblüht, sondern nur mehr abgestorben aus, Ende Jänner zeigt sich halt noch kein frisches Grün und die Pflanzen im Winterquartier sehnen sich auch schon nach Licht und Wärme. Aber das ist alles kein Grund, nervös und ungeduldig zu werden, es dauert einfach noch ein paar Wochen. Meine Pflanzen würden, wenn sie könnten, wahrscheinlich wie meine Kinder die Augen verdrehen, wenn ich sie mit mütterlicher Sorge überhäufe: „Geh, Mama…“

Gott sei Dank hat es letzte Nacht geschneit. Wenn ich heute in den Garten fahre, um nach dem Rechten zu sehen, liegt alles unter einer weißen Decke und ich komme gar nicht erst in Versuchung, den Boden hypnotisch nach neuen Lebenszeichen abzusuchen. Aber die Rosen müssten schon Knospen haben… und der Marillenbaum…

Eure Flora

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