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Raritätenbörse

Heuer war ich schlau. Ich habe den ganzen Garten durchforstet, die Lücken ausfindig gemacht, im Internet nach passenden Füllern gestöbert und eine Liste mit meinen Wunschpflanzen und den offenen Stellen erstellt.

Bewerber gibt es auf der Raritätenbörse genug, doch ein paar Plätzchen waren in meinem Kopf schon mit ausgesuchten Kandidaten besetzt. Ach ja, falls jemand nicht weiß, was die Raritätenbörse ist: Jedes Jahr findet im Botanischen Garten in Wien ein großer Pflanzenmarkt statt, zu dem Aussteller aus Österreich, Deutschland, Tschechien und Ungarn kommen. Ein bisschen Drumherum rundet das Angebot ab (Sonnenhüte, Sensen, Korbflechter, zwei, drei Gastrostände…), aber der Schwerpunkt liegt eindeutig bei den Pflanzen. Von Gemüsesetzlingen bis zu Tillandsien reicht das Angebot, Stauden, Obststräucher, Sukkulenten, Kakteen, Samen – eine Runde durch den Park ist meist nicht genug. Spezialgärtnereien sind dabei, etwa für Päonien oder Clematis, bekannte Namen und auch kleine Betriebe, die ausgefallene Sachen im Sortiment haben. Also ohne Liste ein höchst gefährlicher Ort für mich.

Schon vor Jahren habe ich beschlossen, prinzipiell OHNE Auto hinzukommen und mich selbst mit EINER mitgebrachten Tasche (oder vielleicht doch zwei?) zu begnügen, die ich dann zu Fuß nach Hause schleppen muss. Das schränkt den Kaufrausch von vornherein etwas ein. Heuer habe ich mich zusätzlich mit meiner Gartenfreundin Silva verabredet, in der Hoffnung, dass sie mich von allzu unbesonnenen „Haben wollen“ abhält. Wie war das mit dem Bock und dem Gärtner?

Es wurde dann ganz vernünftig. Mit Gemüsepflanzen, so toll die Sorten auch sein mögen, habe ich bei der Raritätenbörse schlechte Erfahrungen gemacht. Das liegt aber nicht an der Qualität der Pflanzen, sondern am Zeitpunkt der Veranstaltung. Denn bis Mitte Mai müssen die meisten Käufe noch am Fensterbrett durchhalten und da schaut’s bei mir lichtmäßig schlecht aus. Bis sie dann endlich in den Garten dürfen, sind es dünne, blasse, ausgemergelte Gestalten, weit entfernt von den kraftstrotzenden Kerlen, die ich gekauft habe. Deshalb lasse ich sie weg und gehe dann im Mai in meine Gärtnerei. Mein Hauptaugenmerk lag heuer auf den zwei verwaisten Keramiktöpfen, die ich zu Weihnachten 2022 von meinen Kindern bekommen habe. Das Hochstammwandelröschen war für seinen rundlichen Topf zu kopflastig und musste umziehen, die Schwarzäugige Susanne hat den Winter nicht überlebt. Für den hellgrauen Topf fand ich eine intensiv blaue Staudenclematis (wie geplant!), in den grünen Topf zieht eine Zistrose (ungeplant, aber seit Jahren in meinem hirnmäßigen Wunschzentrum) ein, weiß mit dunkelroten Flecken. Bergminze (für ein gelbgrünes Bierfass) und rotblättriger Sauerklee (als Unterpflanzung für das Wandelröschen) konnte ich von der Liste abhaken. Für ein zweites Bierfass in bayrischem Weiss-Blau fand ich eine blaue Rasselblume, mir bis dahin zwar namentlich bekannt, aber nicht näher vertraut. Bin gespannt, ob sie sich im Topf wohlfühlt und ob sie wirklich den ganzen Sommer durchblüht. Ich werde versuchen, Samen zu sammeln, denn sie soll nicht besonders langlebig sein. Eine kleine niedrige Chrysantheme mit überaus hübschem gefiederten Laub und eine fröhlich bunte Sukkulente erstand ich für das Eckregal auf der Terrasse.

Einen kritischen Moment gab es doch, als wir einen Maulbeerbaum entdeckten. Silva träumt seit ihrer Kindheit von Maulbeeren und nur die Größe ihres Gartens (oder besser die Größe eines Maulbeerbaums) hat sie bisher einbremsen können. Und da stand er: ein Mini-Maulbeerbaum, der statt der üblichen 15 m lediglich 2 bis 3 m groß wird. Oh, oh. Nicht nur bei meiner Freundin, auch bei mir ratterten die Gedanken. Hab ich Platz? Geht sich das aus? Wär das nicht toll? Ja, wäre es, aber nicht einmal für den Zwergbaum hätte ich Platz. Auch Silva riss sich los und verschob die Entscheidung auf nächstes Jahr.

Noch am Nachmittag sauste ich in den Garten und pflanzte alles an seinen Platz. Sicherheitshalber prüfte ich noch für alle die Standortbestimmungen und stellte die Sukkulente (eine Crassula perforata) ins Haus. Laut Internet ist sie erst ab 20° C im Freien glücklich und das kann ich ihr die nächsten Tage nicht bieten. Müde von dem langen Tag, aber höchst zufrieden fuhr ich heim. Acht Pflänzchen und bei allen wusste ich wohin! Ich werde alt und weise.

Eure Flora

PS: Falls jemand neugierig geworden ist: Die Raritätenbörse geht bis morgen Abend (21.4.), Eintritt € 6,50.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Silva

    Bemerkung zum vorletzten Absatz: Baumpflanzungen können auch im Herbst 2024 vorgenommen werden. Es gibt Theorien, die diese Zeit für besser als das Frühjahr halten (;-))

    Liebe Grüße
    S.

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