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Das liebe Werkzeug

Im Winter soll sich der Gärtner dem Werkzeug widmen, es putzen, desinfizieren, schleifen, einölen, mit einem Wort pflegen, damit es im Frühjahr wieder einsatzbereit ist. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mein Werkzeug (mit Ausnahme meiner Scheren) komplett ungepflegt in die neue Saison startet. Ich erinnere mich noch gut an die Definition meines Philosophieprofessors, was ein gutes Werkzeug ist: Ein Ding, dass man völlig gedankenlos zur Hand nimmt und verwendet, und das einem erst auffällt, wenn es nicht funktioniert.

Aber meine Werkzeuge können mehr, sie können Gefühle hervorrufen. Meine englischen Gartenwerkzeuge (Spaten, Kompostschaufel und Fugenkratzer) lösen bei mir immer Freude aus, weil sie so formschön sind und perfekt in der Hand liegen. Äste mit der tollen Klappsäge zu entfernen, ist pures Vergnügen. Bei der Arbeit mit dem Trommelsieb gratuliere ich mir jedes Mal zum Kauf (best ever!) und seit ich mir voriges Jahr ein ordentliches Maurerfäustl geleistet habe, macht das ungeliebte, weil kraftraubende Stangen in den Boden schlagen plötzlich Spaß. Ebenso empfinde ich Glück und Besitzerstolz, wenn ich aus dem Hängekorb die passende Schere für die nächste Aufgabe aussuche. Viele dieser Geräte sind Zufallskäufe auf einer Gartenveranstaltung. Man entdeckt, nimmt es in die Hand und es ist Liebe auf den ersten Blick.

Ausgehend von diesen Erfahrungen habe ich mir geschworen, beim Werkzeug nie wieder zu sparen und nur anzuschaffen, was wirklich gut in der Hand liegt und mir auch gefällt. Werkzeug im Garten muss Lust machen, damit zu hantieren. Abgesehen davon erleichtert es die Arbeit ungemein, wie sehr weiß man erst, wenn man das Richtige gefunden hat. Bis es soweit ist, werkel ich mit dem herum, was ich habe. Das Meiste davon stammt noch aus der Zeit meiner Eltern oder sogar Großeltern. Mein Vater war ein geschickter Heimwerker und Bastler und er sammelte alles an Geräten und Material, was „man noch einmal brauchen kann“. Als ich den Garten übernahm, habe ich Unmengen von verbogenen Nägeln und Schrauben, rostigen Sägen, nicht mehr schließenden Zangen, Hämmern ohne Stiel, völlig abgenudelten Schraubenziehern, zerlegten Möbeln und erstarrten Lacken und Klebern entsorgt. Am lustigsten waren sechs (!) Drahtbürsten, alle bis zum Stiel abgenutzt. Als mein Vater mich danach fragte und erfuhr, dass ich sie weggegeben hatte, reagierte er entsetzt: „Jessas, de guatn Biaschtn!“ Die Neuanschaffung eines Gartenschlauchs, weil der alte geplatzt war, wurde mir von meiner Mutter übel genommen: „Dreißig Jahre hat er gehalten und kaum hast du den Garten, ruinierst du ihn!“

Aber es gibt auch Sachen, die die Zeiten mit Fug und Recht überdauert haben und die ich gerne benutze. Meine zwei Rechen beispielsweise sind nicht umzubringen, nur beim Fächerrechen hat mein Sohn einmal aus lauter Übermut einen Zahn abgebrochen. Ui, da war ich böse auf ihn. Die alte Pflanzschaufel meiner Mutter ist mir immer noch die liebste, obwohl mir meine Familie längst eine neue gekauft hat. Der Fuchsschwanz meines Vaters hat einen wunderschön geschwungenen Griff und ruft liebe Erinnerungen wach. Seit ich die Werkzeugkiste meines Vaters geerbt habe, weiß ich, dass er auch richtig gutes Qualitätswerkzeug gehabt hat, das ich wohl noch weitervererben werde.

Für nächstes Jahr nehme ich mir vor, all die doppelt und dreifach vorhandenen Werkzeuge auszumustern und nur die besten zu behalten. Diesmal fliegt wirklich ALLES, was nicht mehr tiptop ist, aus der Werkzeughütte raus. Bin gespannt, ob ich das schaffe, schließlich bin ich die Tochter meines Vaters. Man könnte es ja noch einmal brauchen…

Eure Flora

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