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Die Eibenhecke

„Bei mir kann jeder reinschauen, ich habe ja nichts zu verbergen!“ Diesen Standpunkt meiner Mutter konnte ich, als ich den Garten von ihr übernahm, so gar nicht teilen, umso weniger als es sich um einen Eckgarten handelt. Eine meiner ersten Aktionen war daher die Anlage einer Hecke entlang des Längsweges.

Thujen fand ich immer schon schrecklich, Liguster ist ohnehin rund um die Anlage gepflanzt und die Idee einer Blütenhecke war damals noch nicht „in“. Als blutige Anfängerin hatte ich auch keine eigenen Ideen, mir blieb nur, mich in der Anlage umzuschauen. Am besten gefiel mir eine dunkelgrüne Eibenhecke in einem anderen Garten und so wurden es eben Eiben. Heute würde ich mir so eine eintönige grüne Wand nicht mehr aufstellen, ich würde verschiedene Sträucher, Wildrosen oder Schlingpflanzen pflanzen, aber so viel blühende Fantasie hatte ich halt damals noch nicht.

13 Meter lang, 3 Stück pro Laufmeter (versicherte mir der Gärtner, 1 Stück hätte auch gereicht), also standen bald 39 kleine Bäumchen in Reih und Glied. Nicht lange, denn ungefähr 20 Stück segneten gleich einmal das Zeitliche. Der Gärtner war untröstlich, versuchte mir die Schuld in die Schuhe zu schieben, schließlich einigten wir uns auf das Unkrautvertilgungsmittel des Nachbarn und ich kaufte die Bäumchen zum halben Preis nach. Jetzt aber!

Eiben wachsen langsam, davor hatte man mich gewarnt. Es dauerte wirklich an die zehn Jahre, bis der Blickschutz die gewünschte Höhe erreicht hatte. Dann aber schien es mir, dass sie die Taktik änderten. Aus einer langsam wachsenden Hecke entwickelten sich plötzlich kaum im Zaum zu haltende Turbo-Eiben mit dem Motto „höher – schneller – breiter“. Im Laufe der Jahre gestaltete sich der jährliche Schnitt immer mehr zum langwierigen Kraftakt.

Da ich exakt geschnittene Hecken nicht als ordentlich und erstrebenswert, sondern als unpassende Vergewaltigung der Natur empfinde, habe ich meine Eiben von Beginn an händisch geschnitten. Sanft versuche ich sie mit der Schere zurückzudrängen, setze die Schnittpunkte nicht nach einer geraden Linie, sondern nach dem Wuchs der Sträucher. Für die ganze Länge innen, außen und oben brauche ich ungefähr drei Tage. Das löste regelmäßig ein Défilé der halben Anlage aus, um mit eigenen Augen zu sehen, ob die Irre ihre Hecke schon wieder mit der Hand schneidet. Die Kommentare fielen mitleidig („Soll ich Ihnen meine Heckenschere borgen?“), belustigt („Wofür tun Sie sich DAS denn an?“) oder völlig verständnislos („So kriegen Sie nie eine ordentliche Hecke!“) aus. Dafür hatte ich immer die prächtigste, grünste Hecke der ganzen Anlage.

Irgendwann wurde es doch zu aufwändig. Ich begann, den Außenbereich am Zaun entlang mit einer geborgten Heckenschere zu trimmen, nach zwei Jahren dann auch den Bereich über dem Zaun, oben und innen hielt ich den händischen Schnitt noch bis vor zwei Jahren durch, dann half mir mein Sohn auch oben mit dem „Fichtenmoped“. Vergangenen Sommer schaffte ich überhaupt keinen Schnitt und heuer … Ich gab mit schlechtem Gewissen auf, holte mir ein Gerät aus dem Baumarktverleih und entschuldigte mich bei meinen Sträuchern.

VORHER
NACHHER

Nach wenigen Metern war klar, dass ich die rund zweieinhalb Meter hohen und gut zwei Meter breiten Eiben mit dem Ding oben nicht bewältigen würde. Entweder war die elektrische Heckenschere von Haus aus zu schwach oder schon recht stumpf. Sie riss die Zweige mehr ab als dass sie sie sauber durchtrennte, ab 5 mm Aststärke blieben nur noch Fetzen zurück. Mir blutete das Herz. Ich beschloss, mit dem Marillenbaumschnitt im November auch das Einkürzen der Hecke auf handliche 1,80 Meter Höhe und (vielleicht auch) auf 1,40 Meter Breite in Auftrag zu geben und „schnitt“ nur die senkrechten Flächen. Gestern war ich den ganzen Tag damit beschäftigt, mit der Schere nachzubessern und die ärgsten Wunden zu versäubern. „Nie wieder!“ schwor ich mir, „da hätte ich ja gleich mit der Hand schneiden können!“ Und wenn ich eine Woche lang herumschnippel, ab nächstem Jahr pflege ich meine Eiben wieder wie gehabt. Wenn sie dann wieder kleiner und schmäler sind, werde ich das schon schaffen.

Oder – ein Wellenschnitt wär schon cool. Oder Zinnen wie bei einer Burg … oder …

Eure Flora

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