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6 Uhr morgens

Ich bin ein hoffnungsloser Morgenmensch. Schon meine Kinder wussten, dass man mit Mama um 5 Uhr in der Früh Lego spielen kann, aber um 5 Uhr nachmittags ist sie zu nichts mehr zu gebrauchen. Mein Mann wiederum ist eine Nachteule und dafür morgens ein grantiger Zombie. Mit zunehmendem Alter wurden meine Kinder zu Langschläfern, sodass jahrelang der Morgen MEINE Zeit war. Ich musste nur leise sein.

Im Garten fängt der Tag um 4 Uhr an. Die ersten verschlafenen Vogelstimmen begrüßen die Morgendämmerung, je heller es wird, desto melodischer und mehrstimmiger wird das Konzert. Manchmal bin ich um diese Uhrzeit schon wach, meistens aber erst gegen 5 Uhr, wenn das Tageslicht durch die Fenster scheint. Ist der Himmel blau, hält mich nichts mehr im Bett. Ich ziehe schnell irgendwas über, öffne die Haustür und bin schon draußen.

Nach einem ersten Rundgang („Was ist heute Nacht wieder den Schnecken zum Opfer gefallen?“, „Muss ich gießen?“) brauche ich meinen Morgenkaffee. Ich kann die Espressomaschine ruhig aufdrehen, das Mahlwerk weckt meinen Mann nicht auf. Und wenn, murrt er zwar etwas von Rücksichtslosigkeit, ist aber schon wieder eingeschlafen, bevor er den Satz zu Ende gebracht hat. Dann richte ich mir zwei Sessel auf der Terrasse her, einen zum Sitzen, einen zum Füße Hochlegen – und dann der köstlichste Moment des Tages, der erste Schluck Kaffee.

Egal wie heiß der Tag auch wird, jetzt ist es noch kühl und frisch, ein leichtes Frösteln spüre ich manchmal, besonders wenn ich nur den Bikini gefunden habe. Außer den Vögeln ist nichts zu hören, das fröhliche Jodeln der Amseln, das lärmende Tschilp-tschilp der Spatzen, das vorwurfsvolle Gemeckere der Kohlmeisen und hin und wieder das zärtliche Gurgeln des Rotschwänzchens. Da ertönt ein schrilles Quietschen. Es ist das Fahrrad des indischen (oder pakistanischen?) Zeitungsausträgers, der mich immer freundlich grüßt, obwohl wir nie eine Zeitung kriegen. Ich habe mir schon oft überlegt, ihm ein bisschen Maschinenöl anzubieten, habe es aber noch nie gemacht. Manchmal ertönt von weither das elektronische Piepsen eines Handys und ich denke voller Mitleid an den armen Menschen, der so unsanft aus dem Schlaf gerissen wird.

Hier und jetzt ist alles gut. Der neue Tag hält noch alle Möglichkeiten offen, unendliche Freiheit! Arbeit, Stress, Sorgen sind später dran, es gibt nur mich und diesen friedlichen Morgen. In aller Ruhe drehe ich den Wasserhahn auf und gieße meine Pflanzen, damit sie gut durch den Tag kommen, nicht selten rede ich auch mit ihnen. Wenn ich den Schlauch wieder weggeräumt habe, ist der zweite Kaffee dran. Die ersten Sonnenstrahlen schieben sich auf die Terrasse. Sobald sie mich erreicht haben, ist es Zeit für den Alltag. Rundherum rattern die Jalousien hoch, bald wird der erste Rasenmäher dröhnen.

Guten Morgen.

Eure Flora

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