Die Gerätehütte
Was Anschaffungen im Garten betraf, hatten meine Eltern ein Credo: Es durfte nichts kosten. Die einzige Alternative war, dass es praktisch und billig war. „Ist doch nur für den Garten!“ Mit dieser Begründung hatten wir die Möbel meiner verstorbenen Großeltern im Garten, heimwerkergerecht von meinem Vater auf eine passende Größe für das winzige Haus zurechtgesägt, schliefen auf durchhängenden Metallfedern in einem selbstgebastelten Rahmen, Geschirr wurde Sommer für Sommer aus der Wohnung hertransportiert. Bis alle Utensilien im Garten waren, war es Herbst und wir zogen wieder in die Wohnung.
Pflanzen waren schön und „dankbar“, wenn sie aus Ablegern oder selbstgezogenen Samen stammten und Schnittblumen für den Friedhof lieferten. Wenn ich später meiner Mutter eine meiner Neuerwerbungen voller Stolz zeigte, sagte sie jedes Mal dasselbe: „Wenn ich gewusst hätte, dass du dein ganzes Geld für den Garten rausschmeißt, hätte ich ihn dir nicht gegeben.“
Umso sensationeller war es, als sich meine Eltern eine Gerätehütte kauften. Der elektrische Rasenmäher passte einfach nicht in unsere alte Rumpelkammer (bis dahin hatten wir nur einen händischen Spindelmäher, bis mein Vater streikte). Natürlich war es die billigste und damit auch die hässlichste Variante, die mein Vater selbst aufstellte, Stahlblech in dem seltsamen Dunkelgrün, von dem manche Leute überzeugt sind, dass es sooo gut in den Garten passt. Dass dafür zwei der Haselnusssträucher weichen mussten, machte sie mir nicht sympathischer.
Sie steht immer noch, auch wenn ich lieber ein Holzhäuschen hätte. Praktisch ist sie ja. Nur Schloss hat sie keines mehr und das kam so:
Zu Zeiten meiner Eltern wurde die Gerätehütte jeden Abend versperrt und der Schlüssel über Nacht im Haus aufbewahrt. Als ich den Garten übernahm, blieb sie immer offen und der Schlüssel steckte, was hätte man denn schon groß stehlen sollen. Und dann kamen unsere Kinder. Eines Tages war die Hütte abgeschlossen und der Schlüssel war weg. Als erstes fragten wir unseren Sohn, ob er den Schlüssel versteckt hätte. Kopfschütteln. Also die Schwester. Entsetzt sah uns der arme Kerl an: Wie hatten wir das nur herausgefunden, er hatte doch gar nichts gesagt! Offen und ehrlich, wie er von klein auf war, begriff er den Zusammenhang erst mit zunehmendem Alter. Also beknieten wir unsere etwa 3-jährige Tochter, uns das Versteck des Schlüssels zu verraten. Erst grinste sie nur verschmitzt, aber nach drei Tagen heulte sie los: Sie wusste es einfach nicht mehr.
Ein netter kroatischer Nachbar kam uns zu Hilfe. „Darf ich kaputt machen?“, fragte er und wir nickten ergeben. Eine halbe Minute später hatten wir eine offene Tür und keine Möglichkeit mehr, sie wieder zu verschließen. Bis heute verkeilen wir die Tür mit Spannseilen und Steinen. Voriges Jahr habe ich in einem Energieanfall das Schloss ausgebaut, aber für die Anschaffung eines neuen Schlosses hat mein Anfall dann nicht mehr gereicht.
Und der Schlüssel? Der ist nie wieder aufgetaucht.
Eure Flora