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Auferstehung

Er sah schon jämmerlich aus, mein geliebter Benjamin. Nach der Umsiedlung aus dem Büro in mein Schlafzimmer ließ er nahezu alle Blätter fallen und schien kurz vorm Eingehen. Vorwurfsvoll starrte mich das Gerippe jeden Morgen an, vor dem Schlafengehen war das nackte Skelett der letzte Anblick. Ich bereute zutiefst, ihn nicht meinen Kolleginnen überlassen zu haben.

Und dann geschah das Wunder: Zarte Spitzen kamen zum Vorschein, die Tag für Tag länger und dicker wurden. Und schon bald entfalteten sich erste hellgrüne Blättchen, sogar an den Ästchen, die in Rauminneren liegen und meiner Befürchtung nach zu wenig Licht vom Fenster bekommen. Mittlerweile ist der ganze Baum von jugendlichen Blättern eingerahmt und zaubert einen Hauch von Frühling in mein Schlafzimmer, bei den ersten schimmert auch schon wieder die Panaschierung durch.

Ich hoffe, das ist ein gutes Omen für meine Eibenhecke, die nach dem Verjüngungsschnitt grauenvoll ausschaut. Zumindest auf den Fotos, die mir mein Mann geschickt hat, ich selbst habe mich noch gar nicht in den Garten getraut. Erst jetzt sieht man, wie tief die Zweige schon über die Wiese geragt haben, ein breiter nackter Streifen ist zurückgeblieben. Da kann ich jetzt Gras anbauen oder… Ich bräuchte ein paar widerstandsfähige Stauden als Vorpflanzung, die dem Druck der Eibenwurzeln gewachsen sind. Wildrosen vielleicht? Die will ich eh schon lange im Garten haben. Irgendwas Kletterndes womöglich? Gräser? Keine lange Rabatte, sondern nur ein paar Ausbuchtungen von der Hecke weg?

Bei der Fülle an Möglichkeiten für ein neues Beet krieg ich Herzklopfen, jede/r echte Gärtner/in wird das sicher verstehen. Ich könnte ja auch eine Blumenwiese aussäen, so ein bunter Streifen vor den dunklen Eiben schaut sicher gut aus.

Und schon wühle ich wieder in Gartenzeitschriften und -büchern, zeichne Pläne, studiere Kataloge… Ach, es ist hoffnungslos mit mir.

Auf alle Fälle muss ich in meinem Garten noch zwei Kirschlorbeersträucher unterbringen. Nicht, dass ich Kirschlorbeer besonders mag, als Sichtschutz zu den Nachbarn wächst halt nichts anders im Schatten des Marillenbaums, ich hab schon genug ausprobiert. Aber als ich heuer die Weihnachtskrippe abgebaut habe, haben zu meiner großen Überraschung zwei der „Palmwedel“ Wurzeln angesetzt. Und das Herz, das neue Leben einfach zu kompostieren, habe ich nicht, auch wenn mich die zwei kleinen Triebe vor gewaltige Probleme stellen. Ich sag ja, es ist hoffnungslos mit mir.

Eure Flora

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