Christbäume
Mein erster eigener Christbaum war ein kleines lebendes Bäumchen in einem Topf. Ich arbeitete damals in einer Firma, die es längst nicht mehr gibt, und der Chef, der wahrscheinlich auch längst nicht mehr lebt, hatte die Idee, Mitarbeitern und Kunden anstelle der üblichen Flaschen und Körbe zu Weihnachten einen lebenden Christbaum zu schenken. Ich fürchte, ich war die Einzige, die sich über sein Geschenk freute. Die Kunden waren reihenweise beleidigt und die Mitarbeiter machten sich nur lustig über die Bäumchen. 1980 war man halt noch nicht sehr grün gesinnt. Meine Mutter überlegte schon, welcher Platz im Garten passend wäre, aber in meiner überheizten Wohnung (ich war damals SEHR dünn und entsprechend verfroren) überlebte die kleine Fichte natürlich nicht. Ich denke immer gerne an sie zurück. Die winzigen Kugeln, mit denen die Äste geschmückt waren (mehr passte ohnehin nicht drauf), habe ich noch heute.
Allerdings ruhen sie in der Schachtel, denn seit ich meinen Mann kenne, haben wir einen Christbaum bis zur Decke, auf dem sie verschwinden würden. Ein schöner Baum, das war uns beiden immer sehr wichtig, ob mit Kindern oder ohne. Am Anfang hatte ich nur (teils selbstgebastelten) Strohschmuck und ein paar Styroporäpfelchen. Dieser „Bauernchristbaum“ gefiel Christian ganz und gar nicht, er wollte wie in Kindertagen einen bunten „Kugelbaum“. Wir bekamen die neue Wohnung und die Anschaffung von glitzerndem Weihnachtsschmuck stand auf unserer Prioritätenliste ganz weit unten. Dann wurde mein Mann am 17. Dezember mit einer Herzmuskelentzündung ins Spital eingeliefert und ich stand verzweifelt da. Wir befürchteten schon, dass er die Feiertage nicht zu Hause sein würde, aber am Heiligen Abend durfte er gegen Revers das Krankenhaus verlassen. In letzter Minute hatte ich einen Christbaum und – Kugeln gekauft. Es war das einzige Jahr, in dem der Baum mangels Größe auf einem Tisch stehen musste (weder konnte ich alleine einen zweieinhalb Meter Baum schleppen noch hatte ich das Geld für mehr Schmuck). Aber es war endlich ein Kugelbaum und dabei blieb es bis heute.
Halt, es gab noch ein Jahr, wo der Baum auf einem Tisch stand. Unsere Tochter ist bei den Pfadfindern und die jährliche Weihnachtsfeier war für die ganze Familie immer ein unterhaltsamer Pflichttermin. Neben den Darbietungen der einzelnen Gruppen war die Tombola stets der lustige Höhepunkt. Jeder „spendete“ allen möglichen Tinnef, der dann zu fortgeschrittener Stunde verlost wurde. Es war wenig Brauchbares dabei, meist zitterte man, dass man das aufgerufene Los hatte. Es war ein Riesenspaß. Hauptpreis war jedes Jahr der Christbaum, der für die Weihnachtsfeier angeschafft worden war. Und den gewann einmal unsere Tochter, die vor Freude über soviel Glück ganz aus dem Häuschen war. Mein Mann und ich sahen uns nur entsetzt an: Der Baum war keine eineinhalb Meter groß, dafür gute zweieinhalb Meter breit. Im Saal war ja genug Platz, in unserem Wohnzimmer schon weniger. Mein Sohn schlug vor, den Baum „zurechtzuschneiden“, aber das wollten wir dann doch nicht. Also stand er ausladend auf einem Tisch. Für unsere Tochter war er der schönste Weihnachtsbaum, den wir je hatten.
Abgesehen von ihrem ersten eigenen Christbaum, den sie heuer in ihrer Wohnung aufgestellt hat. Sie konnte es kaum erwarten, bis die Verkaufsstände öffneten. Schmuck hat sie genug. Jedes Weihnachten seit der Geburt unserer Kinder habe ich besondere Stücke gekauft, immer zwei gleichartige, aber nicht völlig identische. Sobald die Geschenke ausgepackt waren, hieß es: „Was hat das Christkind heuer dazu gehängt?“ Obwohl ich jahrelang genau dafür gesammelt habe, war mir zum Heulen, als sie vor drei Wochen ihre Stücke einpackte und mitnahm. Jetzt, wo beide Kinder ausgezogen sind und an verschiedenen Orten wohnen, habe ich beschlossen, die Tradition zu beenden. Der Schmuck von meinem Sohn ist zwar noch da, aber ich werde ihn heuer nicht auf den Baum hängen. Dafür suche ich die Kugeln von damals heraus, die ersten, die ich für meinen Mann gekauft habe.
Ich wünsche allen meinen Lesern und Leserinnen ein frohes Weihnachtsfest, ein glückliches neues Jahr und – einen schönen Baum!
Eure Flora