Schnee!
Hurra, es hat geschneit! Der letzte Schnee im Dezember liegt in Wien schon elf Jahre zurück. Da sollen uns die Meteorologen noch so oft erzählen, dass es früher auch nicht mehr geschneit hat als jetzt, ich glaube es ihnen nicht.
Als ich noch ein Kind war, zog mich mein Vater auf der Rodel durch Favoriten (ein Bezirk Wiens, für alle Nichtwiener). Das war damals auch noch möglich, weil die Gehsteige nicht penibel von jeder Schneeflocke gesäubert wurden, ganz im Gegenteil. Im Winter zog man sich halt entsprechende Schuhe an und schrie nicht sofort nach der Stadtverwaltung, wenn der Hausmeister mit dem Schneeschaufeln säumig war. Was die Leistung der Schneeräumung in Wien keinesfalls schmälern soll, aber ein bisschen Wehmut überkommt mich schon angesichts der blankgeputzten Straßen und Gassen.
Im Radio hört man wieder die unvermeidlichen Interviews: „Draußen am Land find ich es schon schön, aber in der Stadt brauch ich den Schnee nicht!“, als ob die Natur an der Stadtgrenze Halt machen könnte. Wir hören genug Hiobsbotschaften über Klimawandel und globale Erwärmung, da finde ich einen richtigen Wintereinbruch bei uns sehr beruhigend (auch wenn der Klimawandel davon nicht verschwindet, meiner Seele tut es gut). Ja freilich, der Straßenverkehr verwandelt die weiße Pracht bald in geschwärzte Haufen und in den Innenbezirken schmilzt der Schnee zu schmutzigem Gatsch. Aber es bleiben noch genug weiße Flecken, in den Parks, auf Sträuchern, Autos, Dächern, Mistkübeln, die das triste Grau-Braun des Winters aufhellen. Im Nachbarhof, in den ich von meinem Schlafzimmerfenster hineinschauen kann, haben die Kinder einer chinesischen Familie zwei Schneemänner aufgetürmt. Schade, dass das Smiley auf dem Auto vor dem Wohnzimmerfenster schon zergangen ist.
Hat man so wie ich einen Garten am Stadtrand, ist die Sache natürlich doppelt schön. Erstens weil ich endlich einmal die tollen Winterbilder mit den stehengebliebenen Stauden habe, die mir die Gartenzeitschriften Jahr für Jahr suggerieren. Zweitens spendet die Schneedecke meinen Pflanzen Schutz vor Frost und später, wenn die Temperaturen wieder hinaufgehen, Feuchtigkeit. Nach den trockenen Wintern der vergangenen Jahre ist das ein echter Segen für den Boden.
Mein Igelquartier (siehe Gartentagebuch, 26. Juli 2021) hat eine dicke Haube bekommen, der Eingang ist aber frei zugänglich. „Ist da ein Igel drin?“ fragte mich mein Mann heute. Tja, das wüsste ich auch gern, aber ich kann ja nicht gut nachschauen. Mir kommt zwar vor, als ob die Zweige beim Schlupfloch zusammengeschoben wären, aber das kann ich mir auch nur sehnsüchtig einbilden.
Normalerweise sind mein Mann und ich immer froh, wenn wir den Garten nach kurzer Rundschau wieder verlassen können, und beglückwünschen uns zu unserer gemütlichen Wohnung in der Innenstadt. Normalerweise stehen auch traurige verdorrte Stängel in der Gegend herum, die Wiese ist braun und unansehnlich und Bäume und Sträucher strecken ihre nackten Zweige in den trüben grauen Himmel. Heute wäre ich gerne noch länger geblieben. Hier jetzt ein gemütliches warmes Haus… Aber ich träume schon wieder. Was so ein bisschen Schnee alles bewirken kann…
Eure Flora