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Das Unkraut im Jänner

Ja, ich weiß, Unkraut sagt man nicht mehr. Aber es weiß jeder, was gemeint ist: Das, was sich zwischen die geplanten Pflanzenbilder schummelt, und diese nicht liebreizend wie eine verirrte Akelei aufhübscht, sondern derb überwuchernd die Lieblinge bedroht. Ist es, dessen Name nicht genannt werden darf, nach dem stürmischen Schwung im Frühjahr vorerst einmal bekämpft, lässt es sich mit regelmäßigem Aufharken und Mulchen den Rest des Sommers ganz gut in Schach halten. Im Herbst lässt das beharrliche Jäten natürlich nach, die Mulchschicht verrottet bald und spätestens im Jänner trumpfen Zaunwinde, Löwenzahn und rote Taubnessel wieder auf, ganz zu schweigen von den zahllosen „Wildkräutern“, deren Namen ich nicht weiß, die sich aber erfahrungsgemäß schlecht benehmen, unansehnlich sind und in jedem Beet stören.

Als ich den Garten übernahm, versuchte meine Mutter in der ersten Saison, mir das „richtige“ Gärtnern beizubringen. Ich hatte zwar ganz andere Vorstellungen als sie, konnte mich jedoch gegen ihre vehementen Forderungen nur schlecht wehren, hatte sie mir doch den Garten überlassen und ich wollte sie nicht kränken. Anfangs widersprach ich ihr nicht und versuchte, ihre langjährigen Erfahrungen zu respektieren und umzusetzen. Vergebens, nichts konnte ich ihr recht machen, ich pflanzte zu viel, putzte zu wenig, düngte nicht ausreichend, goss verschwenderisch und als ich einen Komposthaufen anlegte, prophezeite sie mir Ratten, Gestank und aufgebrachte Nachbarn. Es war ein zähes Ringen, wie es sich wahrscheinlich bei den meisten „Hofübergaben“ abspielt.

Dann kam der erste Winter und meine Mutter überraschte mich eines Tages mit der Frage, ob ich schon Unkraut gejätet hätte. „Wir haben Jänner!“, protestierte ich unwirsch. „Eben“, beharrte sie, „wenn du es jetzt nicht machst, hast du im Frühjahr keine Chance.“ Ich hatte damals eine tolle beste Freundin, die meine Mutter recht gut kannte und wusste, wie sehr ich unter der Fuchtel stand. Sie lachte mich zwar aus, fuhr jedoch am nächsten Samstag mit mir in den Garten, um mit klammen Fingern Baumscheiben und Beete vom Unkraut zu befreien. Von Jäten war bei der feuchten Eiseskälte keine Rede, die zarten Keimlinge rissen bei jedem Versuch, sie mitsamt der Wurzel zu entfernen, ab. Etwa eineinhalb Stunden rupften wir sinnlos herum, bis ein Nachbar vorbeikam und uns mit großen Augen musterte. “ Hallo!“, riefen wir so fröhlich wie möglich, aber damit war das Fass übergelaufen. „In meinem ganzen Leben bin ich mir noch nie so blöd vorgekommen“, knurrte meine Freundin und ich konnte ihr nur recht geben. In Windeseile war das Werkzeug weggeräumt, das Gartentor versperrt und ich lud die treue Gefährtin in die Pizzeria ein.

Es war der Anfang vom Ende des Einflusses meiner Mutter. Ich kümmerte mich immer weniger um ihre Wünsche und Regeln und baute den Garten nach meinem Geschmack um. Leider änderte sie ihre Haltung nicht und hörte nie auf, mich zu kritisieren. Wieviel Freude ich mit meinen Pflanzen hatte, wieviel Glück und Zufriedenheit mir die Umsetzung meiner Ideen bescherte, verstand sie nicht. Aus mir würde halt nie eine richtige Gärtnerin werden.

Stimmt.

Eure Flora

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