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Die perfekte Grabegabel

Als ich den Garten vor über 30 Jahren von meiner Mutter übernommen habe, erbte ich eine Werkzeughütte voller Gartengeräte. Spaten, Krampen, Äxte, Sägen, Schaufeln, Drahtbürsten – und eine Grabegabel war auch dabei. Das meiste davon stammte noch aus den 50er Jahren. Mein Mann (damals half er im Garten noch ein bisschen mit) und ich quälten uns mit dem veralteten Werkzeug. Da saß der Stiel locker, dort war die Spitze verbeult, die Sägen waren samt und sonders verrostet und der Spaten war so stumpf, dass er kaum ins Erdreich eindrang. Als erstes schmiss ich die Drahtbürsten weg, die ohnehin nur mehr aus rostigen Stummeln bestanden, was einen wütenden Protest meiner Eltern hervorrief: „Die guatn Biaschten!“ Fortan war ich als Verschwenderin („Urasserin“ auf gut wienerisch) gebrandmarkt und murkste mit dem Schrott weiter.

Es kam, wie es kommen musste. Der heillos vermorschte Stiel der Grabegabel brach bei einem der nächsten Einsätze in Trümmer und meine Mutter war wieder böse auf mich. Immerhin hatte die brave Gabel 30 Jahre lang gute Dienste geleistet und kaum hatte ich sie in Händen, war sie kaputt. Christian und ich fuhren in den nächsten Baumarkt und erstanden nicht nur eine neue Grabegabel, sondern auch gleich einen dazu passenden Spaten. Schließlich war klar, dass der alte Spaten auch nicht mehr lange leben würde. Gabel und Spatenblatt waren in schickem Grün beschichtet und ich hängte die neuen Sachen stolz an die Wand der Gerätehütte.

Obwohl die beiden Werkzeuge eher der billigeren Kategorie angehörten, versahen sie lange ihren Dienst. Dann kam mein Sohn. Da er von klein auf über unbändige Kräfte verfügte, bat ich ihn öfters, mir bei schweren Gartenarbeiten wie Sträucher ausgraben oder Wiese für ein neues Beet umstechen zu helfen (für Feinarbeiten ist er nicht zu gebrauchen, er kann nur zerstören). Der erste Einsatz der Grabegabel endete mit einem verbogenen Zinken, weil er einen Stein im Boden als Hindernis einfach nicht akzeptieren wollte. Der Spaten hatte für seine Energie ein viel zu dünnes Blatt, das jedes Mal bedenklich knackte, wenn er draufstieg. Nachdem er mir das Loch für meinen Apfelbaum ausgehoben hatte, versprach ich ihm, dass beim nächsten Mal besseres Werkzeug da sein würde.

Zu Weihnachten wünschte sich mein Sohn wie wohl alle Jugendlichen Bargeld, ein Wunsch, der mir nicht besonders gefiel, den ich ihm aber auch nicht abschlagen wollte. Ich bestellte im Internet edles englisches Gartenwerkzeug, einen Spaten und eine Grabegabel, von der Royal Horticultural Society empfohlen, mit hohem Schaft und einem praktisch unzerstörbaren Eschenstiel. Ganz unten versteckte ich das Bargeld als „Vorauszahlung für geleistete Gartendienste“. Um die riesige Schachtel einzupacken, leistete ich mir eine ganze Rolle Geschenkpapier. Wir lachten Tränen, als mein Sohn sein Geschenk auspackte und nacheinander das Gartenwerkzeug zum Vorschein kam. Sein Gesicht wurde immer länger. „Mama, echt jetzt?“, fragte er verzweifelt, bis ihm Christian den Tipp gab, noch einmal ganz unten zu suchen.

Im Frühjahr kam die Grabegabel zu Ehren, ich hatte meinen Sohn gebeten, zwei morsche Schmetterlingsflieder zu beseitigen. Kaum setzte er die Hebelwirkung seiner zwei Meter Körpergröße ein, machte es „krckch“ und der tolle Eschenstiel zerbröselte wie Styropor. (Jetzt rächte sich der Internetkauf, denn alle meine E-Mails von wegen „lebenslange Garantie“ blieben unbeantwortet.) Also doch wieder mit der alten Grabegabel weiter, deren Effektivität durch den abstehenden Zinken allerdings beeinträchtigt war. Bis vorigen Sonntag, an dem mein Sohn die alten Ribiselsträucher ausgegraben hat. Das war das Ende des nächsten Werkzeugstiels.

Ich habe eine neue Grabegabel gekauft, diesmal wieder im Baumarkt, diesmal wieder billige Kategorie. Mich wird sie schon aushalten und so oft kommt mein Sohn eh nicht mehr helfen. Den englischen Spaten darf er jedenfalls nicht mehr angreifen. Aber wenn jemand einen Tipp für die perfekte Grabegabel hat, die sogar meinen Sohn überlebt – bitte melden!

Eure Flora

Ausgedient!
Rest in Peace!

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