• Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Pension

Genau genommen bin ich noch nicht in Pension. Das letzte Jahr meiner Berufslaufbahn ist ein Sabbatjahr, mein Pensionsantritt ist erst für 1. April nächsten Jahres geplant. Trotzdem liegt mein letzter Arbeitstag schon wieder sechs Monate zurück, Zeit für eine erste Bilanz.

Wenn mich die Leute neugierig fragen „Wie ist das, was ist das Schönste an der Pension?“, antworte ich immer: „Das Schönste ist der Sonntagabend, wenn dir blitzartig einfällt, dass am nächsten Tag Montag ist. Und wenige Sekunden später denkst du dir – na und?“ Unsere Einladungen spielen sich jetzt eher unter der Woche ab, da unser Freundeskreis ebenfalls weitgehend nicht mehr arbeitet. Und ich genieße es unglaublich, Zeit zu haben, morgens erst einmal Kaffee zu trinken und mir dabei in aller Ruhe zu überlegen, was ich mit dem jungen Tag anfangen will. Ich bin gelassener geworden, plane weniger, wofür auch, ich hab ja schließlich morgen genau so viel Zeit wie heute.

Der große Gewinner ist mein Garten. So organisiert und aufgeräumt hat er glaube ich noch nie ausgesehen und dabei habe ich gar nicht das Gefühl, ständig im Garten zu arbeiten. Als Erstes gießen, dabei sehe ich schon da und dort eine verwelkte Blüte, also weiter mit der Schere. Hoppla, das Beet könnte ich aber gleich durchjäten, da wächst schon wieder Unkraut. Winzig klein natürlich, einmal mit dem Dreizack durch und alles ist wieder perfekt. Freut es mich heute, diesen Strauch zu schneiden? Besser ist es, den Wetterbericht zu befragen, ob es wieder so unerträglich heiß werden soll. Und dann – plötzlich habe ich Gusto auf einen zweiten Kaffee, die Viertelstunde kann der Strauch auch noch warten. Mittlerweile ist Christian aufgewacht, er kriegt auch einen Kaffee und als Nächstes klären wir die Frage nach dem Abendessen. So, aber jetzt geht es los mit dem Strauchschnitt. Eigentlich könnte ich auch nur die Hälfte beim Zaun machen und morgen die zweite Hälfte. Soll ich die Zweige sofort kleinschnippeln oder erst alles abschneiden und mich dann um die Entsorgung kümmern?

Am Ende habe ich doch den ganzen Strauch geschnitten und zwei große Tragtaschen gefüllt. Wegtragen tu ich es aber erst morgen, das läuft mir ja nicht weg. Den Nachmittag verbringe ich auf meinem Liegeplatz und lese ein Gartenbuch. Unglaublich, wie viele Ratgeber und Gartengeschichten es in der Online-Bibliothek gibt. In jedem Buch finde ich etwas Nützliches, zuletzt war es die Idee zu einem Tonscherbengarten auf einem Sandhügel, die mir sehr gut gefällt. Zu gut wahrscheinlich. Ich sollte wieder mehr Krimis oder Romane lesen, die Gartenbücher sind gefährlich.

Für diesen Sommer habe ich mir so viel vorgenommen, Ausflugsziele, Wanderungen, Radtouren, Stadtbummel. Kaum etwas davon habe ich verwirklicht, von unseren Urlauben einmal abgesehen. Da ist Christians kaputte Hüfte, die sämtliche Aktivitäten, die mit Gehen zu tun haben, schwierig bis unmöglich macht. Aber vor allem bin ich es, die ständig das Gefühl hat, mich ausruhen zu müssen. Nach vierzig Jahren Arbeit und dem Großziehen von zwei Kindern reicht es mir vollkommen, im Garten Bienen und Vögel zu beobachten, mich an jeder neuen Blüte zu erfreuen und nach ein bisschen Gartenarbeit die Füße hochzulegen. Ja, ich bin wirklich gelassener geworden.

Eure Flora

Schreibe einen Kommentar