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DOC 59

Aufmerksame Leser/innen wissen bereits, dass sich das Interesse meines Mannes für Aktivitäten im Garten in Grenzen hält. Umso mehr achte ich darauf, ob er eine seiner seltenen Ideen oder Wünsche bezüglich Bepflanzung äußert. Meist erfülle ich sie ihm dann.

Vor einigen Jahren waren wir, so wie jetzt gerade, auf der Südsteirischen Weinstraße auf Urlaub. Der allgegenwärtige Anblick von Weinreben inspirierte Christian, von einem eigenen Weinstock zu träumen, als Sichtschutz am Weg entlang, und jeden Herbst voller süßer Trauben… Da er im August Geburtstag hat und dieser justament in die Urlaubswoche fiel, sauste ich in einem unbemerkten Moment (unsere Gastgeberin lenkte ihn mit den Vorbereitungen für das Geburtstagsessen ab) in die Rebschule nach Gamlitz und erstand eine köstliche Tafeltraube. Vor lauter Hektik, dass er mich vermissen könnte, habe ich mir nicht einmal gemerkt, welche Sorte ich da mitnahm. Aber gut war sie, denn ich durfte vorher kosten. Bei der Geburtstagsfeier gab es ein großes Hallo, wir tauften den Setzling nach den Anfangsbuchstaben seines Besitzers und seinem Geburtsjahr „DOC 59“. Wenige Tage später bezog der Kleine seinen Platz am Zaun, bekam einen alten Besenstiel als Stütze und ein paar Minzen zu seinen Füßen (das hält angeblich den Mehltau fern).

Die Minzen wuchsen, der Wein nicht. Allerdings hatte er auch keinen Mehltau. Wir freuten uns über jedes Blättchen, doch viel höher als die Minzen wurde DOC 59 im ersten Jahr nicht. Er muss erst einwachsen, trösteten wir uns. Im zweiten Jahr musste er das immer noch. An einen Schnitt wagte ich gar nicht zu denken, da wäre ja gar nichts übriggeblieben. Trauben? Haha.

DOC 59 dümpelte vor sich hin, der Besenstiel sah lächerlich überdimensioniert aus. Vielleicht hatte ich eine ungeeignete Sorte für das Wiener Klima gekauft? Christian hatte schon jede Hoffnung aufgegeben und mir war er eigentlich nur im Weg. Ich verlor die Geduld und drohte ihm vor zwei Jahren mit der Entsorgung im Komposthaufen. Als letzten Rettungsversuch fragte ich unseren Weinviertler Weinbauern um Rat. „Schneiden“, lautete die Antwort, „alles wegschneiden bis auf einen Trieb.“

Daraufhin explodierte DOC 59 förmlich, binnen kurzem genügte der Besenstiel nicht mehr, wir mussten ein Gerüst aus drei Pflöcken mit Spanndrähten aufstellen. Und bald zeigten sich die ersten Traubenansätze. Ich erinnerte mich daran, dass man überflüssiges Laub entfernen muss, um die Kraft in die Trauben zu lenken und schnitt fleißig weg. Außerdem sollten die Trauben viel Sonne abbekommen. Im Herbst folgte die Enttäuschung: Die Trauben schmeckten zwar ganz gut, hatten aber eine dicke harte Haut.

Ich beklagte mich bei unseren Freund in der Südsteiermark und er lachte mich aus. „Ja, wenn du zu viel in der Sonne bist, kriegst ja auch einen Sonnenbrand!“ Ich lernte, dass es die Blätter sind, die die Sonnenenergie in Zucker umwandeln und in die Trauben schicken. Wenn man zu viele wegschneidet, bleiben die Trauben herb und schützen sich vor dem Zuviel an Sonne mit dicker Haut.

Voriges Jahr hatte ich dann den Dreh heraus und im Herbst konnten wir die süßen, zarten Weintrauben kaum aufessen. Bei allem Weinbauern-Erfolg und aller Freude mit dem DOC 59 bleibt doch ein Wermutstropfen: Unsere Kinder haben die herrlichen Trauben nicht einmal probiert, weil sie nicht kernlos sind. Wer hat die bloß so verwöhnt!?

Eure Flora

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