Es grünt so grün...
Mir ist bereits im Winter aufgefallen, dass im großen Staudenbeet, da, wo ich die letzten Neuzugänge platziert hatte, Gras wächst. Kleine, feine Halme bildeten rund um die Stauden einen zarten Flaum, als ob ich sie ausgesät hätte. Ich zerbrach mir den Kopf, woher dieses unerwartete Grün kam. Na klar! Ich hatte doch die Wiese nachgesät, da haben der Wind, die Vögel oder die Ameisen sicher den einen oder anderen Samen ins Beet verschleppt. Obwohl, so flächendeckend, über ein bis zwei Quadratmeter? Ich grübelte weiter über das Phänomen. Grade erfreut war ich nicht über den grünen Teppich, muss ich ihn doch jetzt im Frühjahr mühselig zwischen den Stauden wieder rausjäten.
Richtig unheimlich wurde mir die Sache, als an weiteren Stellen im Garten dichter Grasbewuchs auftauchte: im Bauerngarten im Gemüsebeet, im Wegbeet unter dem Marillenbaum, wo ich die Pfingstrosen am Zaun durch panaschierten Efeu ersetzt hatte. Bei der Nachsaat in der Wiese hätte ich mir so ein prächtiges Wachstum gewünscht, in den Beeten kommt das höchst unerwünscht. Ich begann in meiner Ratlosigkeit, die Nachbarn zu verdächtigen, dass sie mir mutwillig Samen in die Beete gekippt hatten, um mich zu ärgern. Also nein, es muss eine andere Erklärung geben, erstens traue ich soviel Bosheit niemandem in meiner Umgebung zu und zweitens ist das wohl eine recht aufwändige Art, jemanden zu schikanieren.
Gestern fiel endlich der Groschen bei mir: Ich hatte den Samen selbst ausgesät und das kam so: Als ich im September an einem Schlechtwettertag den Dachboden aufräumte, fand ich einen offenen Sack Grassamen, der seit ich weiß nicht wie vielen Jahren da oben herumlag. Ich nahm zwar nicht an, dass er noch keimen würde, streute ihn jedoch versuchsweise in den Wiesenstreifen vor meinem Garten, der durch diverse Bauarbeiten immer recht mitgenommen aussieht. Keine Reaktion, auch nach Wochen ließ sich kein einziger Halm sehen. Also entsorgte ich den restlichen Samen, ich verstreute ihn einfach gut sichtbar an offenen Stellen im Garten. So können ihn wenigstens die Vögel noch aufpicken, dachte ich mir… Im Wiesenstreifen ist übrigens noch immer kein Gras nachgewachsen.
Eine zweite Fehleinschätzung passierte mir im Bauerngarten. Um das Gemüsebeet und das neue Beerenbeet bestmöglich mit Nährstoffen zu versorgen, säte ich eine Gründüngung aus. Ich entschied mich nach langer Internetrecherche für Alexandrinerklee. Während das Wachstum im Gemüsebeet spärlich blieb, wucherte der Klee im Beerenbeet freudig vor sich hin. Ich ließ ihn in die Höhe schießen, denn das Internet versprach mir ein Abfrieren im Winter. Im Frühjahr müsste ich dann nur mehr die abgestorbenen Pflanzenreste in den Boden einarbeiten und hätte ein gutes Werk für meine Beete getan. Soweit die Theorie.
Schon im Winter kamen mir Zweifel, ob das mit der mangelnden Frosthärte klappen würde. Denn obwohl es einige Male Minusgrade hatte (offensichtlich zu wenige), stand der Alexandrinerklee aufrecht da und überragte längst alle anderen Pflanzen im Beet. Ich versuchte, meine Erdbeeren wiederzufinden, doch in dem dichten Bewuchs waren sie verschwunden. Die neuen Stachelbeeren befanden sich ebenfalls im Geflecht des nicht umzubringenden Klees. Im Februar gesellte sich die allgegenwärtige rote Taubnessel dazwischen und verwandelte das ganze Beet in einen blühenden Teppich. Hübsch, aber eigentlich wollte ich ein Beerenbeet. In den letzten Tagen sagte ich den Wucherern den Kampf an. In stundenlanger Kleinarbeit rupfte ich Pflanze um Pflanze aus und befreite vorsichtig meine Erdbeeren aus dem Würgegriff. Von den acht gepflanzten habe ich immerhin sieben wiedergefunden. Ich habe kurz überlegt, ob ich den bodenverbessernden Klee antrocknen, klein schneiden und einarbeiten soll, doch es war schon so mühsam genug. Seine tollen Eigenschaften kann er jetzt im Komposthaufen ausleben.
Wie das Sprichwort sagt, schützt Alter vor Torheit nicht. Auch langjährige Gartenerfahrung bewahrt uns nicht vor Fehlern, mich zumindest nicht. Gott sei Dank bin ich ein Mensch, der über sich selbst und seine Blödheit lachen kann. Allerdings erst, wenn ich das Gras beseitigt habe…
Eure Flora